Dein Weg Anaïs Röschke: Es schüttelt sich - #artmeetsbusiness

Ein Weg mit Abzweigungen, Raststationen, dem Ziel entgegen, Kunst und Wirtschaft für Corporate Cultural Partnerships zusammenbringen. Von der Schauspielerin in der Schule, zur Statistin an der Oper, zur Kunststudentin, zum Kunstmarkt, zur Mutter, zum Culturpreneurship.

Schließen wir kurz die Augen und stellen wir uns vor, es gäbe keine Kunst und Kultur in unserem Leben. Kein Buch auf dem Couchtisch, kein Bild an der Wand, das an eine besondere Ausstellung, eine besondere Situation erinnert. Lassen wir die Kopfhörer weg, die Musik, die Laune und Stimmung verändert, all das gibt es nicht. Vergessen wir auch das Abendessen mit guten Freunden, vergessen wir ein gutes Glas Wein.

Im Privaten würde uns bald etwas fehlen. Und in unserem Arbeitsumfeld? Stellen wir uns vor, es kommt eine neue Skulptur, ein neues Bild ins Büro, das sicherlich nicht jedem gefällt. Was passiert? Über die Ungläubigkeit, dass dieses Kunstwerk angeschafft wurde, kommen Mitarbeiter ins Gespräch. Unterschiedliche Meinungen werden ausgetauscht, Positionen verändert. Gemeinsames Erleben prägt und stärkt eine Mitarbeiterschaft, stärkt auch die Verbindung zum Unternehmen. Ganz abgesehen also von unternehmerischen Zielen, wo mit Corporate Cultural Partnerships vor allem in den Bereichen Marketing/Kommunikation, Corporate Entertaining, CSR, Employer Branding/ Employee Engagement viel erreicht werden kann, wirkt sich Kunst direkt und indirekt aus.

Unternehmen, die Kultur und Kunstengagement als Teil ihrer Unternehmenswerte und -Strategie leben, engagieren sich auch gesellschaftlich. Denn unsere Gesellschaft lebt durch unterschiedliche Einflüsse, Denkweisen, Traditionen und Vielfalt. Indem sich Unternehmen kulturell für ihr Umfeld, ihre Mitarbeiter, ihre Community engagieren, tragen sie zu einer lebendigen und gesunden Gesellschaft bei.

Ein Leben mit Kunst, irgendetwas mit Menschen arbeiten, Geld verdienen in einem inspirierenden Arbeitsumfeld. Ungefähr so sah ich meine Zukunft, als ich nach dem Abitur für neun Monate nach Kanada ging, um nach der Schulzeit erst einmal rauszukommen, meine Englischkenntnisse zu vertiefen und mir darüber klar zu werden, was ich eigentlich mit meinem Leben anstellen möchte.

In der Schule lagen mir die Rolle der Klassensprecherin, der Vermittlerin und ohne darüber nachzudenken, zogen mich Theater und Oper an, wo ich während meiner Schulzeit, später während des Studiums, als Statistin arbeitete. Kunst, Plastizieren, Bildhauen und Zeichnen waren Schulfächer, in denen ich mich wohl fühlte, die mich inspirierten, beflügelten. Dies zum Beruf zu machen; daran dachte ich jedoch noch nicht.

Erst einmal Kanada, wo mir während meiner Zeit in einer Camphill Einrichtung klarer wurde, dass ich gerne kulturpädagogisch mit Menschen arbeiten möchte. Per Ausschlussverfahren kam bei meiner Rückkehr nur noch eine Uni in Frage, da alle anderen bereits ihre Aufnahmeverfahren abgeschlossen hatten. Ich erstellte eine Mappe, kopierte ein wunderschönes Werk von Pierre Bonnard im Frankfurter Städel, fuhr zum Aufnahmegespräch an die Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft und wurde aufgenommen. Wie passend, dass man dort mittlerweile auch Wirtschaft studieren kann. So einfach das Aufnahmeprozedere war, so steinig waren die vier Jahre Studium, in denen sich immer deutlicher herauskristallisierte, dass das künstlerische Schaffen nichts für mich ist. Aber das Management, Ausstellungsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit genau das war, wo ich hinwollte. Ich übernahm die Ausstellungseröffnungen, die Präsentationen und die Organisation der Vernissagen. Zum Ende der Studienzeit war für mich klar, dass ich nach meinem Diplom Richtung Kulturmanagement gehen werde. Ich stieß auf eine Stellenausschreibung der Art Basel, fuhr zum Vorstellungsgespräch und bekam die Stelle. Zwei Jahre habe ich sowohl für die Art Basel als auch für die Art Basel Miami Beach gearbeitet und dort unglaublich viel gelernt und erlebt. Noch heute bin ich meinem Mentor dankbar für alles, was ich von ihm lernen konnte.

Bei der Art Basel kam ich dann auch zum ersten Mal mit dem Thema Kultursponsoring in Berührung, war jedoch noch weit davon entfernt, dass dies einmal etwas sein könnte, was mich – in meiner Vorstellung noch weiter entfernt – zu einer Gründerin machen könnte.

Nach zwei Jahren Basel ging es, der Liebe wegen, zurück nach Deutschland und mit Station in Hamburg – meiner Sehnsuchtsstadt – nach Berlin. Die ersten Jahre waren hart. Ich sah vor allem eine dreckige, grobe, viel zu große Stadt. Hier fühlte ich mich oft einsam. Dazu kam, dass ich in Basel einen berufsbegleitenden Masterstudiengang in Kulturmanagement angefangen hatte und zusätzlich zum neuen Job bei einem Kulturveranstalter, meine Masterarbeit schreiben musste. Nach den intensiven Zeiten bei der Art Basel, mit den tollsten Kunstanlässen, Kontakten zu Galeristen und Künstlern, Zugang zu Eröffnungen und (gesponsertem) Champagner, fühlte ich mich in meinem Job eingeengt und unterfordert. Dazu der Druck der Masterarbeit. Mein Freund und ich lebten nach vier Jahren Fernbeziehung zwar endlich zusammen, aber zur Zwischenmiete und immer aus den Koffern. Ich vermisste meine persönlichen Sachen, meine Bücher und wollte endlich mit meinen Bildern, die ich mir von meinem ersten „richtigen“ Gehalt gekauft hatte, leben.

Doch wie meist in meinem Leben „schüttelte es sich“: Wir fanden eine Wohnung, richteten uns ein. Freunde aus Studententagen, meine ehemaligen Mitbewohner aus Bonn, alle kamen nach Berlin. Ich lernte neue Menschen kennen und langsam fühlte ich mich wohler. Da kam von meinen ehemaligen Vorgesetzten aus Basel die Anfrage, ob ich als VIP Relations Manager beim art forum berlin – Messe für zeitgenössische Kunst anfangen wolle. Und ob ich wollte: endlich eigenverantwortlich arbeiten, endlich wieder im Kunstumfeld. Endlich durchstarten! Es konnte nicht besser sein. Da wurde nach nur zwei Jahren die Messe abgesagt. Und ich war schwanger.

Ich habe mein erstes Kind bekommen. Die freie Zeit genutzt, mich in mein neues Leben als Mutter einzufinden. Doch so gar nicht intellektuell gefordert zu sein und meine Fähigkeiten nicht einsetzen zu können, machte mich zunehmend unzufriedener. Da trat die Digitalisierung in mein Leben. In Form meiner ehemaligen Mitbewohnerin aus der Schweiz, die mich an einen Therapeuten verwies, der dringend jemanden brauchte, der seine Newsletter schrieb, Klienten-Anfragen beantwortete und sich um den administrativen „Kram“ kümmerte. Perfekt, um es neben dem Baby von zuhause aus zu tun, ohne große Anstrengungen.

Klar wurde mir auch, dass ich wieder in meinem Bereich arbeiten wollte und vor allem, dass ich dies nicht zu den im Kunst- und Kultursektor gängigen Bedingungen tun wollte. Sprich, ganz viel arbeiten, für ganz wenig Geld. Dafür war mir meine Zeit mit meiner kleinen Familie zu kostbar und meine Arbeitskraft zu schade. In dieser Zeit dachte ich häufiger, wie perfekt es wäre, selbstständig arbeiten zu können. Nur, mit was sollte ich mich selbstständig machen?

Kurz darauf lernte ich über Freunde David Jackson kennen. Er, Australier, lange für die Oper in Sydney und Melbourne als Sponsoring Manager tätig, war seit sechs Jahren in Deutschland. Er arbeitete weiterhin als Sponsoring Manager, allerdings im B2BBereich für internationale Konferenzen, erzählte mir von seiner Idee, die Digitalisierung zu nutzen, um Kulturinstitutionen auf der Suche nach Förderung mit Unternehmen zusammenzubringen, die sich im Bereich MarComm, Corporate Entertaining, CSR oder Employee Engagement engagieren wollen. Mein Gedanke war: zum ersten Mal eine Idee, die sich nicht nach einem der vielen „Berliner Projekte“ anhörte, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Ich sah meine Chance und gab David, im 5. Monat schwanger, meine Karte. Aus den losen Verabredungen und dem Brainstormen über die Idee, Kunst und Wirtschaft digital und analog zusammenzubringen, reifte unser Entschluss, die Gründungsidee umzusetzen. Ich Teilzeit mit Kind, David Teilzeit neben seinem Konferenzjob. Nach einem Jahr war klar: Ganz oder gar nicht! David kündigte seinen Job, wir bauten THE ART OF BUSINESS auf und entwickelten, mit einem befreundeten Grafiker und Programmierer, artness.net – matching platform for the arts and business. Das Geschäftsmodell fußt auf zwei Standbeinen, die Matching-Plattform soll, sobald die critical mass erreicht ist, über ein Freemium-Modell funktionieren. Zudem beraten und unterstützen wir Unternehmen, die sich kulturell engagieren wollen, aber nicht genau wissen wie.

Wir haben in Deutschland die wunderbare Situation, dass Kultur staatlich gefördert wird. Dennoch fehlt es oft an den nötigen Mitteln, um Projekte zu realisieren. An dieser Stelle kommen wir ins Spiel: als Mittler zwischen Kultur und Wirtschaft. Beide Seiten können voneinander profitieren, es fehlt nur teilweise am Know-how, wo tatsächlich die Schnittmengen liegen und wie Partnerschaften umgesetzt werden können, damit diese für beide Seiten bereichernd sind.

Aktuell arbeiten wir vor allem im Bereich Architektur. Wir entwickeln Partnerprogramme, akquirieren passende Partner und unterstützen bei der Durchführung.

Aus dem alltäglichen Erleben, dass Sparten immer unter sich bleiben – Architekten treffen Architekten, Designer andere Designer und Rechtsanwälte andere Sozietäten – haben wir, gemeinsam mit Kristina Leipold, das Format „Kitchen Conversations“ entwickelt. Hier bringen wir Künstler, Unternehmer, Designer, Anwälte, Food-Artisten, Musiker, Magazine und ITler am kommunikativster Ort jeder Party zusammen – der Küche. Jeder Gast wird zum Gastgeber, und so lernen sich Menschen kennen, die sonst nicht auf die Idee kämen, sich anzusprechen, obwohl sie alle das Interesse an Kunst und Kultur verbindet. Uns ist es wichtig, den Kunstbegriff weit zu fassen. Kunst und Kultur heißt nicht nur Museum oder Oper. Kunst und Kultur bedeutet auch gutes Essen, inspirierende Gespräche, gute Bücher, besondere Kleidung, schönes Ambiente.

Und damit möglichst viele die Chance bekommen, die Mehrwerte von Corporate Cultural Partnerships und #artmeetsbusiness zu erfahren, heißt es für uns: rausgehen, über die Vorzüge von CCPs sprechen, Beispiele setzen und begeistern!

An der Schnittstelle von Kunst und Wirtschaft zu arbeiten, Menschen aus Kunst und Wirtschaft zu verbinden und das mit einem Co-Founder, der mich unterstützt, mein volles Potenzial zu entwickeln und Familie und Karriere zu vereinbaren, erfüllt mich mit großer Freude und Tatkraft. In den letzten Jahren habe ich sowohl fachlich als auch persönlich mehr gelernt als je zuvor. Immer wieder verlasse ich meine Komfortzone und es erschließen sich dadurch immer wieder neue Felder und Kontakte. Blicke ich zurück, wundere ich mich manchmal, was in meinem Leben bereits alles von dem eingetreten ist, was ich mir vor längerer Zeit, in ähnlicher Form, gewünscht habe.

Kunst und Kultur sind in mannigfaltiger Weise fester Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Wir nehmen sie weithin als selbstverständlich an und das ist auch gut so. Sie bereichern unser Leben. Darüber hinaus bin ich überzeugt, schlummert noch weit mehr Potenzial in der synergistischen Verknüpfung von Kunst und Kultur mit dem Wirtschaftsleben. Eine Verknüpfung, die zur Verbesserung des täglichen Miteinanders gewonnen werden kann.

Ein Leben ohne Kunst und Kultur ist – für mich – nicht vorstellbar.

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