ERGO in China: Über das Potenzial kultureller Unterschiede


Magazin, 15.01.2019

Seit rund fünf Jahren ist ERGO auf dem chinesischen Markt aktiv – und zwar mit Leben-, Gesundheits- und Unfallprodukten speziell entwickelt für die wachsende Mittelschicht im Reich der Mitte. Anlässlich dieses Jubiläums haben wir den Chef von ERGO China, Jürgen Schmitz, um ein Interview gebeten.

Jürgen Schmitz


ERGO in China

Mit 97 Millionen Einwohnern ist die Provinz Shandong der drittgrößte inländische Versicherungsmarkt und darum seit rund fünf Jahren auch Sitz von ERGO China Life in Jinan. Das Joint-Venture, das ERGO gemeinsam mit dem staatlichen Finanzinvestor SSAIH betreibt, verkauft über einen Agenturvertrieb mit selbstständigen und angestellten Vermittlern überwiegend kapitalbildende Lebensversicherungen mit Todesfallschutz, aber auch Produkte, die im Falle einer Behandlung im Krankenhaus leisten, sowie vereinzelt auch Unfallprodukte.


Herr Schmitz, was hat Sie überhaupt nach China gebracht? Ist es für Europäer einfach, in China zu leben und mussten Sie vor Ihrem Umzug die chinesische Sprache lernen?

Meine Verbindung zu China begann lange vor dem Umzug, als ich noch an der Universität war. Mein akademischer Hintergrund in Sinologie hat mich für dieses Land begeistert und mich auch zu einem einjährigen Austauschprogramm an der Peking Universität und zahlreichen weiteren Aufenthalten in China vor meinem Start in das Berufsleben geführt.

Bei ERGO begann mein häufiges Reisen nach China 2012 und das fast monatlich, um unser dortiges Lebensversicherungs-Joint-Venture zu gründen und auszubauen. Im Mai 2017 erfolgte der erste Schritt, China als eigenständige Wachstumsregion innerhalb der ERGO zu etablieren und ich zog mit meiner Familie um.

Jeder Umzug kostet Zeit und Mühe. Besonders, wenn sich der Zielort stark vom Heimatland unterscheidet. Wenn es um die Frage geht, wie man als Europäer in China lebt, lässt sich die Antwort schwer verallgemeinern. China besteht aus verschiedenen Regionen, die unterschiedliche Entwicklungsstadien haben. Peking, das politische Zentrum Chinas, und Shanghai sind zum Beispiel moderne und in Teilen multikulturelle Metropolen mit großen Expat-Gemeinschaften und sind deshalb auch für „Neuankömmlinge“ leichter zu erkunden.

In China ist es aber vor allem auch wichtig, die lokale Kultur und dazugehörige Gepflogenheiten zu verstehen, was auch ein guter erster Schritt ist, um Zugang zur lokalen Gemeinschaft zu bekommen. Chinesisch ist mit Sicherheit keine einfache Sprache. Die Fähigkeit, die chinesischen Schriftzeichen zu lesen, ist entscheidend, um die Sprache zu lernen. Das Meistern der Sprache ist dann sozusagen die Kür.
 
Also arbeiten an den Standorten von ERGO China chinesische und deutsche Kollegen eng zusammen…

Richtig, dieser Kulturmix ist eines der wichtigsten Merkmale unseres Teams! Die Unter-schiede zwischen der deutschen und der chinesischen Kultur sind überall und jederzeit zu finden: die Art der Kommunikation, die Umgangsformen und natürlich die Sprachunterschiede. Wir alle sprechen hier Englisch, müssen aber stets ein Augenmerk darauf richten, dass wir tatsächlich ein einheitliches Verständnis zu Arbeitsinhalten und Vorgehen haben. Solche Unterschiede machen die Arbeit herausfordernd, aber auch sehr interessant. Wir machen große Fortschritte, uns immer besser aufeinander einzustellen. 

Und in geschäftlicher Hinsicht? Was sind dabei die wichtigsten kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und China?

Aus meiner Sicht ist zum Beispiel die Art und Weise, wie Projekte gesteuert werden, unterschiedlich: Die Chinesen sind eher ergebnisorientiert, während die Deutschen der Planung mehr Aufmerksamkeit schenken.

Die Deutschen beginnen mit einer Zielvorgabe einschließlich der Vorbereitung des Zeitplans, um die Machbarkeit und Risiken des Projekts zu ermitteln. Ihnen ist es wichtig, vor Projektbeginn eine voll-ständige Bewertung durchzuführen. Im Gegensatz dazu möchten die Chinesen so schnell wie möglich handeln, sobald das Ziel und die allgemeine Richtung festgelegt sind. Der nächste Schritt wird dann während des aktuellen Schrittes definiert – basierend auf dem aktuellen und sich ändernden Status. Grundsätzlich gilt: Chinesen sind agil und offen für einen Wechsel des Ansatzes während des Umsetzungsprozesses, solange das Ergebnis erreicht wird.

Warum glauben Sie, dass es einen solchen kulturellen Unterschied gibt?

Es ist unmöglich, hier pauschale Gründe für kulturelle Unterschiede und deren Auswirkungen auf die Arbeitsweise zu geben. Eine Erklärung könnte sein, dass China ein sich sehr schnell verändernder und dynamischer Schwellenmarkt voller Möglichkeiten ist. Viele Veränderungen finden über Nacht statt. Deshalb sind die Menschen immer bereit, für jede einzelne Chance zu kämpfen, um kein Potenzial zu verschenken. Der Prozess ist oft sehr dynamisch, und es ist nicht einfach, das Ergebnis in der Anfangsphase genau vorherzusagen.

Wie Sie wissen, wird den Deutschen nachgesagt, sehr logisch und präzise zu arbeiten. Deshalb ist die Planung der entscheidende Teil eines jeden Projekts. Meistens sollte die Implementierung eng an dem vor dem Projektstart entwickelten Plan ausgerichtet sein.

Es gibt aber auch viele Gemeinsamkeiten in der Arbeitsweise von Deutschen und Chinesen: Sowohl Deutsche als auch Chinesen gelten als diszipliniert und fleißig. Mit großem Verantwortungsbewusstsein setzen wir uns beide für die Problemlösung und Zielerreichung auch unter hohem Druck ein. Sowohl Deutsche als auch Chinesen können sehr direkt sein, was für eine offene Kommunikation und den persönlichen Austausch sehr hilfreich ist.

Bei ERGO China versuchen wir stets, die Vorteile des präzisen deutschen Arbeitsstils mit denen des agilen und flexiblen chinesischen Arbeitsstils zu kombinieren. Anders gesagt: Wir entfalten das Potential von ERGO mit kultureller Diversität.

Was wäre schließlich der wichtigste Ratschlag für unsere Kollegen, die an einer Arbeit in China interessiert sind?

“Sei offen und nimm die Herausforderung an!“

Von Eva Fung

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