Digitalisierung & Technologie, 24. Juli 2025

Wie KI das Internet reformiert

Ein neues ERGO Whitepaper und das Tech Trend Radar 2025 geben Orientierung

Wie KI das Internet reformiert

Mit seiner Websuche hat Google das Internet einst reformiert und darauf ein Imperium aufgebaut. Im Jahr 2024 setzte der Mutterkonzern Alphabet fast 200 Milliarden US-Dollar mit der Internetsuche und Werbeanzeigen um. Jetzt steht die nächste Reformation an, die das Ende der Ära der Websuche bedeuten dürfte. Doch was kommt stattdessen?

Als Google im Jahr 1998 die Websuche startete, war noch nicht abzusehen, welch gigantischen Einfluss dieser Dienst auf die Benutzbarkeit des Internets haben würde. Zuvor war die Suche nach Informationen deutlich schwieriger, da die Suchmaschinen noch keine geeigneten Mittel zur Ordnung der zunehmenden Zahl an Websites und Inhalten entwickelt hatten. Sie wirkten eher wie umständliche digitale Kataloge.

Das änderte sich schlagartig mit dem PageRank-Algorithmus von Google. Plötzlich erschienen die Treffer zu einer Suche nach bestimmten Relevanzkriterien sortiert. Der geschäftliche Durchbruch gelang Google schließlich mit der Einführung von AdWords (heute Google Ads) zwei Jahre später. Nun konnten Werbetreibende sich einen Platz ganz oben in den Suchergebnissen mieten.

Dieses Geschäftsmodell zählt bis heute zu den erfolgreichsten in der Digitalwirtschaft. Und dennoch hat Alphabet schon vor Jahren eine Transformation gestartet, die dieses Erfolgsmodell größtenteils überflüssig machen wird.

Von der Suchmaschine zur Antwortmaschine

Die Reise hin zur Antwortmaschine begann Google im Grunde bereits 2012 mit dem Knowledge Graph. Diese semantische Funktion beantwortet einfache Fragen direkt mit einer kurzen Antwort auf der Suchergebnisseite, etwa aktuelle Sportergebnisse oder Börsenkurse. Es folgten viele weitere Schritte wie der Google Assistant, BERT, LaMDA oder Bard, das später zu Gemini wurde.

Bereits diese Veränderungen der Websuche führten zu einem massiven Anstieg der Zero-Click-Searches, also der Suchanfragen, bei denen die Suchenden nicht auf einen der angezeigten Links klicken. Seit 2024 integriert Google systematisch KI-generierte Zusammenfassungen in die Suchergebnisse. In Deutschland wird die „Übersicht mit KI” seit März 2025 angezeigt. Die KI-Übersichten enthalten zwar Links zu den verwendeten Quellen, doch da die Antworten sehr umfangreich sind, reichen sie vielen Suchenden aus. Kein langes Geklicke mehr, sondern schnell und einfach zu konsumierendes Wissen.

Wieder ist es die radikale Vereinfachung einer zuvor komplexen Handlung, die Google vorantreibt. Und wieder wird es nicht einfach nur eine neue Funktion sein, sondern die Funktionsweise des Internets selbst massiv verändern.


AI Overviews als Reaktion auf ChatGPT

Als OpenAI im November 2022 sein Large Language Model ChatGPT an den Start brachte, erkannten die Verantwortlichen bei Google schnell, welche Auswirkungen dies auf das eigene Geschäftsmodell haben würde. Die Integration von KI-Antworten in die Suchergebnisse (AI Overviews) enttäuschte zunächst, denn die Antworten hatten zuweilen nicht die nötige Qualität, um mit ChatGPT mithalten zu können. Doch mit AI Mode hat Google bereits die nächste Entwicklungsstufe in den USA vorgestellt. Damit können Suchende auf eine speziell angepasste Version des Google-Sprachmodells Gemini direkt in der Websuche zugreifen. Dieser neue Suchmodus erweitert die Möglichkeiten der KI-Übersichten um Argumentations-, Denk- und multimodale Funktionen, damit Suchende auch bei komplexen Fragen Hilfe erhalten. Sie können alles fragen, was ihnen durch den Kopf geht, und erhalten eine hilfreiche KI-gestützte Antwort mit der Möglichkeit, mit Folgefragen und hilfreichen Weblinks zum gewünschten Resultat zu kommen.


Die Auswirkungen auf das Internet

Parallel zum Aufstieg von Google entwickelte sich das Internet von einer Nische für „digitale Nerds” zu einer wichtigen Geschäftswelt für Unternehmen und Organisationen. Es hatte sich längst zu einer eigenständigen digitalen Welt entwickelt, die kaum noch jemand ignorierte. Wer als Unternehmen hier nicht aktiv war, fand nicht statt.

Webseiten wurden zu digitalen Präsenzen und deren Inhalte zur essenziellen Infrastruktur für die Sichtbarkeit von Marken. All dies basierte auf den Rahmenbedingungen, die Google mit seinen Algorithmen vorgab. Nur Inhalte, die den Prinzipien der Suchmaschinenoptimierung folgten, wurden von Google bei passenden Suchanfragen angezeigt und leiteten suchende Menschen auf die Websites der Unternehmen weiter.

Im Laufe der Jahre wurde dieses System immer ausgefeilter. Mit zunehmender Konkurrenz wurde es jedoch schwieriger, einen der begehrten Plätze ganz oben in den Suchergebnissen zu relevanten Schlüsselbegriffen (Keywords) zu ergattern. Kein Wunder, dass sich Search Engine Optimization (SEO) ebenfalls zu einem echten Geschäft entwickelte.

Doch damit ist bald Schluss. Auf Suchanfragen wird Google nur noch am Rande mit Linklisten reagieren. Stattdessen werden die gewünschten Informationen direkt als Antwort generiert, so wie es die Nutzenden von ChatGPT & Co. bereits gewohnt sind. Da die Nutzenden nur noch in Ausnahmefällen auf die enthaltenen Links klicken werden, stellt sich den Betreibern digitaler Webpräsenzen die Frage: Wie kommen potenzielle Kundinnen und Kunden zukünftig auf ihre Websites?

GEO statt SEO

Für die KI-generierten Antworten werden Informationen benötigt, die potenziell aus den gleichen Quellen stammen können, die Suchmaschinen zuvor für die Zusammenstellung der Linklisten verwendeten. Auch die Crawler-Bots, die die Informationen aus dem Web einsammeln, unterscheiden sich nicht grundlegend. Dennoch gibt es einige wesentliche Unterschiede bei der Optimierung von Inhalten für Suchmaschinen bzw. für Sprachmodelle (LLM).


Von der SEO zur KI-Optimierung

Welche Auswirkungen ergeben sich speziell für die Versicherungswirtschaft, wenn KI-Modelle die digitale Sichtbarkeit und Auffindbarkeit neu definieren? Das ERGO Innovation Lab hat dazu gemeinsam mit den KI-Expert:innen von ECODYNAMICS eine Studie durchgeführt. Die Ergebnisse besprechen wir in einem neuen Whitepaper auf ERGO.com


Für Large Language Models (LLM) sind etablierte SEO-Faktoren wie Keywords, Backlinks oder Domain Trust deutlich weniger relevant als für klassische Suchmaschinen. Bei der Large Language Model Optimization (LLMO) werden andere Kriterien eine wichtige Rolle übernehmen. Hier eine kurze Übersicht:

  • Hochwertiger Content: Natürliche, strukturierte Inhalte von hoher Qualität.
  • Kontext: Nutzerzentrierte Inhalte, die konkrete Fragen in einem speziellen Kontext beantworten.
  • Conversational Content: Inhalte wie Anleitungen, Erklärungen und FAQ-Seiten, die spezifische Fragen in natürlicher Sprache beantworten, so wie es die LLMs in ihren Antworten vormachen.

Schlusswort:

Die Kriterien für eine optimierte Sichtbarkeit in den Sprachmodellen lesen sich wie aus einer modernen Content-Marketing-Strategie: Seit Jahren gelten Nutzerzentrierung, hochwertige Inhalte und Lösungen für konkrete Probleme hier als Erfolgskriterien. Bedeutet das also, dass sich gar nichts ändert und wir nur eine technologische Evolution statt einer Revolution sehen?

Ganz so einfach ist es nicht. Zwar wird es für Unternehmen und Organisationen möglich sein, eine Sichtbarkeit in den Sprachmodellen aufzubauen, doch muss sich erst noch beweisen, wie wertvoll diese Präsenz ist. Die Suchenden werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell daran gewöhnen, dass sie mit den umfangreichen Antworten der Sprachmodelle ihre Intention bereits erfüllt sehen. Ob sie dann noch externe Webseiten besuchen, die in den Antworten erwähnt oder verlinkt sind, darf in vielen Fällen bezweifelt werden. Wer widmet sich schon mit großem Interesse den Referenzen eines Wikipedia-Artikels?

Wie schnell die Reformierung des Internets voranschreiten wird und welche konkreten Auswirkungen dies letztlich haben wird, lässt sich noch nicht seriös beurteilen. Klar ist allerdings, dass die inhaltsbasierte Unternehmenskommunikation sich strategisch neu aufstellen muss.

Text: Falk Hedemann


AI Search – ein prominentes Thema auch im Tech Trend Radar 2025

Durch den Einsatz von KI-Suchmaschinen können sich Unternehmen an die Umwälzungen traditioneller Modelle anpassen und Chancen zur Verbesserung der Benutzererfahrung und zur Förderung von Innovationen nutzen. „Die Zukunft der Suche gehört denen, die sich anpassen – und jetzt ist es an der Zeit zu handeln!“ appellieren auch die Autoren des Tech Trend Radar 2025, einer gemeinsamen Studie von ERGO und Munich Re. Fordert die Studie gern an und lest, was die Expertinnen und Experten empfehlen!


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