Auch der soziale Roboter Navel der Münchner Firma navel robotics kam zunächst testweise zum Einsatz. Seit Januar 2024 findet man ihn in ersten Einrichtungen für Senioren und Seniorinnen als festen täglichen Begleiter. Fast 30.000 Euro kostet der Roboter mit menschenähnlichen Zügen. Er läuft auf einem Linux-System und erkennt per einfacher Bildverarbeitung (zehn Bilder pro Sekunde) Gesicht, Stimmung sowie Kopf- und Blickrichtung seines Gegenübers. Ausgestattet mit einem 3D-Mikrofon lauscht er diesem und überträgt das Gesprochene für die Spracherkennung in eine Cloud. Dort erstellt ein KI-gestütztes Dialogsystem seine Antwort, die er dann in einer schon sehr natürlich klingenden Acapela-Stimme und synchroner Lippenmimik wiedergibt. Dank Tiefenkamera und Motoren navigiert der kleine Roboter sicher durch die Einrichtungen und hält respektvollen Abstand zu den Bewohnerinnen und Bewohnern. Mit seinen niedlichen 3D-Display-Knopfaugen kann er blinzeln und wirkt damit und durch seine Wollmütze, die zur Standardausrüstung gehört, sympathisch menschenähnlich. Der kindlich-knuffige Navel, dessen Name von den Einrichtungen individualisiert werden kann, zeigt sich immer von einer freundlich zugewandten Seite. Er führt einfache Unterhaltungen und geht möglichst empathisch auf Befindlichkeiten oder alltägliche Fragen ein. Witze erzählen, Lieder singen oder Gedichte vortragen gehören ebenfalls zu seinem Repertoire. Die Bewohnenden erzählen ihm häufig ihre Lebensgeschichten. Das schafft Anlässe für ein intensiveres Miteinander. Weiß Navel mal keine Antwort, umschifft er seine „Unsicherheit“ gerne mit einer Gegenfrage: „Soll ich noch einen Witz erzählen?“ Auch wenn er sicherlich kein Ersatz für echte menschliche Nähe und Beziehungen ist, kann er Zeiten, wo Pflegenden die Zeit dafür fehlt, als Ersatz dienen.
Hilfestellung für Pflegende und Pflegebedürftige
Langfristig sollen die sozialen Roboter mehr können, als Menschen in den Pflegeeinrichtungen zu aktivieren oder zu unterhalten. Was es bereits gibt, sind sogenannte Assistenzroboter. Die Technologie basiert auf dem, was wir aus dem industriellen Robotik-Einsatz kennen. Sie können Dinge heben und transportieren. Roboter dieser Art sind in Schweizer Pflege- und Krankenhäusern bereits im Einsatz.
Einen Schritt weiter geht Pflegeroboter AIREC, der seit März 2025 in Japan getestet wird. Das Land führt die Vergreisung der Gesellschaft unter den Industrienationen mit großem Abstand an: 2023 waren fast 30 % der Bevölkerung 65 Jahre und älter. Der 150 Kilogramm schwere Roboter mit integrierter künstlicher Intelligenz soll Aufgaben übernehmen, die Pflegekräfte oft an ihre physischen Grenzen bringen – etwa das Heben oder Drehen von Personen im Bett. Auch feinmotorische Tätigkeiten wie Sockenanziehen oder Unterstützung bei der täglichen Körperpflege stehen auf dem Trainingsplan von AIREC. Doch die Anforderungen an einen Roboter in die Pflege sind deutlich komplexer als für die Industrie. Dort genügen vorprogrammierte Abläufe. In der Pflege aber zählt Anpassung: Jede Bewegung muss sensibel auf die jeweilige Situation und den jeweiligen Menschen abgestimmt sein. Der Roboter muss sicher greifen – aber niemals zu fest. Er muss helfen können, ohne zu schaden oder zu verletzen. Bei AIREC kommt deshalb ein lernfähiges System zum Einsatz, das mithilfe von Sensoren und tiefen neuronalen Netzen (Deep Learning) Bewegungen analysiert, vorausschauend plant und die nötige Kraft präzise dosiert. Mit dem Marktstart rechnen die Entwickler frühestens 2030. Der geschätzte Einstiegspreis: rund 70.000 Dollar.
Auch China bereitet sich auf die kommende Pflegekrise vor – mit staatlich gelenkter Forschung und Entwicklung für KI-gestützte Robotik. Unternehmen wie Ubtech Robotics oder Unitree arbeiten mit Hochdruck daran, humanoide Helfer zu perfektionieren – auch für den Hausgebrauch. Denn langfristig dürften Pflege- und Assistenzroboter nicht nur in Pflegeheimen, sondern auch in Privathaushalten unterstützen. Bis sie serienreif im Wohnzimmer stehen, dürfte es noch dauern. Eines jedoch scheint klar: Eine neue Industrie entsteht. Ähnlich wie beim Autokauf könnten wir in absehbarer Zukunft individuelle Ausstattungspakete für unsere die Pflegeassistenten aus Sensoren, Schaltkreisen und lernenden Algorithmen konfigurieren.
Kleine KI-Lösungen mit großer Wirkung greifen bereits
Während große Lösungen auf sich warten lassen, wirken die kleinen schon. So etwa die therapeutische Roboterrobbe Paro oder Assistenz-Roboterhund Xiaoxi. Beide zeigen eindrücklich, wie eine emotional wirksame Beziehung zwischen Menschen und Maschine entstehen kann. Im Falle von Robo-Hunden und mit Blick auf körperlich eingeschränkte Seniorinnen und Senioren heißt das auch: kein Gassigehen, kein Füttern, kein Saubermachen. Nur Strom und gelegentliche Updates brauchen die Vierbeiner aus Material und Technologie. Vielleicht werden sie zum Türöffner mit Fell, der Vertrauen schafft, wo Technik sonst gerne mal auf Ablehnung stößt.
Überhaupt scheinen die in den Pflegeeinrichtungen lebenden und arbeitenden Menschen Physical AI positiv und aufgeschlossen gegenüberzustehen. Das zumindest ergab die kürzlich veröffentlichte Trendstudie „Pflege 2024“. Was fehlt, sind laut Studie klare Zusagen bei der Finanzierung und Regulatorik von KI in der Pflege.
Text: Alexa Brandt