Einfach, weil's wichtig ist.
Einfach, weil's wichtig ist.
Sport & Gesundheit, 16. Juli 2024
Biohacking ist einer der großen Trends in der Gesundheitsbranche. Auch dieses Jahr traf sich die Selbstoptimierungs-Avantgarde beim Biohacker Summit in Helsinki. Von revolutionären Ernährungskonzepten bis hin zu neuen Fitness-Trends – unser //next-Kolumnist Markus Sekulla hat sich unter die diverse Truppe gemischt, um sein Wissen im Bereich Longevity zu erweitern.
Die wohl wichtigste Frage zuerst: Was ist eigentlich Biohacking? Eine offizielle Definition fehlt. Teemu Arina, einer der bekanntesten Biohacker der Welt (und auch schon hier bei //next im Interview), sagt: „Biohacking ist Gesundheits- und Leistungsoptimierung durch den Einsatz biologischer und technologischer Instrumente.“ Da gehe ich mit. Vielleicht würde ich noch die Steigerung der kognitiven Fähigkeiten hinzufügen.
Ich sitze am Bahnhof und denke voller Vorfreude an die nächsten zwei Tage. Es geht zum Biohacker Summit nach Helsinki. Anders als bei anderen Events, die ich im beruflichen Digitalisierungskontext besuche, weiß ich diesmal nicht, was mich erwartet. Ich weder Leute noch Stimmung einschätzen. Fest steht für mich aber schon jetzt, dass das Schlechteste am Biohacking der Name ist. Mein gesamter Bekanntenkreis hat schräg geguckt, als ich von meiner Reise erzählt habe. „Sind das nicht alles so Freaks, die nicht sterben wollen?“, war die am häufigsten gestellte Frage.
Was macht man also zur Vorbereitung? Klaro, Website und Instagram checken. Wenn man den Teilnehmenden auf Instagram folgt, findet man Profile, die vor ihrem chronologischen Alter ihr biologisches stehen haben. „Bio age 25 at 43“ oder so ähnlich. Das wirft Fragen auf: Habe ich das auch? Sind es wirklich alles Freaks, die nicht sterben wollen? Bin ich der Ungesündeste oder Unwissendste dort? Und die Frage aller Fragen: Welche Informationen sind wichtig für mich?
Auf geht’s gen Norden. Wo sollte eine solche Konferenz auch sonst stattfinden als in Helsinki, der Hauptstadt von Finnland, das 2024 als Land mit den glücklichsten Menschen gilt – und das zum siebten Mal in Folge. Ob das auch daran liegt, dass hier einige der führenden Biohacker leben, man eine gute Beziehung zur eigenen Gesundheit hat und ein generell recht gesunder Lebensstil Standard ist? Ich werde es herausfinden.
Als wir uns an einem sonnigen Dienstagmorgen im angedeuteten finnischen Sommer in der alten Nokia-Kabelfabrik zusammenfinden, ist die Stimmung sofort wie auf einem Klassentreffen. Natürlich trägt hier niemand einen Anzug. Natürlich sitzen schon einige Leute in der Sauna oder im Sauerstoffzelt, und natürlich sehen neun von zehn Leuten super gesund aus. Beim Registrieren bekomme ich ein Badge wo „Markus Sekulla – Biohacker“ draufsteht. Das ging ja schnell.
Die Eröffnungszeremonie deutet schon die Richtung an, in die sich die nächsten zwei Tage entwickeln werden. Es werden nicht etwa Nahrungsergänzungsmittel wie Kamelle in die Menge geworfen, sondern es ertönen Klänge von urfinnischen Instrumenten und von einem spirituellen Stammesführer aus dem Amazonas, auch ein Samurai in 16. Generation aus Japan demonstriert die Harmonie zwischen Körper und Geist. Und auf etwas metaphysischerer Ebene zeigen alle, dass die Verbindung zwischen Mensch und Natur das zentrale Motto sein wird.
Was mich besonders interessiert: Die feilgebotenen Kaffeespezialitäten. Diese bekommt man noch nicht mal in einem hippen Berliner Café. Ich entscheide mich für die zweite Version. Weiter geht es durch die Exhibition Zone, in der Startups ihre Produkte und Ideen vorführen. Sauerstoffregulierer, allerhand Supplements, Schlaf-förderde Gerätschaften oder – jetzt im Trend – Pilze. All das interessiert mich weniger als die Menschen auf diesem Summit. Was treibt sie an, hierher zu kommen, und was treibt sie an, sich selbst sich nicht so nennende „Biohacker“ zu werden?
Flashback zum Abend davor. Da haben wir zwei Männer aus Irland in einer der bekanntesten Saunas von Helsinki getroffen, die auch zum Summit wollten. Wir haben sie am Oura Ring erkannt und kamen ins Gespräch. Obwohl sich die wenigsten als Biohacker bezeichnen würden, eint uns doch alle, dass wir gerne in einem gesunden Körper und Geist wohnen wollen. Das Warum dahinter ist bei allen unterschiedlich und kann vom klassischen „Schuss vor dem Bug“ vom Arzt bis hin zu viel Stress auf der Arbeit reichen. Wie wir Biohacking interpretieren ist ebenso individuell.
Schaut man sich das Programm und die Leute an, so kann man Biohackerinnen und Biohacker wie folgt clustern
Auf drei Stages laufen parallel Sessions, die auf diese vier Zielgruppen zugeschnitten sind. Da fällt die Auswahl gar nicht so leicht, da man ja auch nicht unbedingt weiß, welcher Gruppe man angehört. Ich entscheide mich für einen bunten Mix, der sich von der perfekten Auswahl der täglichen Supplement-Matrix über die zehn besten Tools für Langlebigkeit bis zur Deep-Breathwork-Session erstreckt und mich auf mentaler Ebene sehr fordert. Abends möchte ich vor allem früh ins Bett gehen. Dass auch hier künstliche Intelligenz als Trend auftaucht, der die Genetik besser versteht als wir, ist in diesem Jahr noch eine Randnotiz, wird aber, so mein Gefühl, in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle einnehmen.
Ich bin Biohacking-Amateur, das ist mir spätestens nach diesem Summit klar. Dieses Gefühl hatte ich zum letzten Mal bei meiner Erstie-Veranstaltung an der Uni. Zwar gibt es viele Dinge, die ich für meine Gesundheit tue, aber wenn ich mir die Damen und Herren auf dem Summit so anhöre, dann gäbe es noch unglaublich viel zu tun. „Gäbe“ ist hier das Zauberwort. Die meisten meiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner waren sich einig, dass es ein Gesundheits-Lebens-Spannungsfeld gibt, das im Sweetspot der Pareto-Effizienz liegt. 80 Prozent gesunde Entscheidungen treffen, 20 Prozent das Leben genießen. Manche sagen aber auch, dass es gerade die letzten 20 Prozent sind, die für 80 Prozent der gesundheitlichen Probleme verantwortlich sind. Das müssen wir also selbst für uns rausfinden.
Wie ich zu meiner Entscheidung komme, weiß ich noch nicht, aber meine Learnings vom Summit sind die folgenden zehn Punkte:
Nach zwei intensiven Tagen ist auch schon alles vorbei. Viele Gespräche und Vorträge haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich durfte tolle, leicht verrückte Leute kennenlernen, die mich in verschiedene Denkrichtungen gestoßen haben. Es ist vor allem das Gefühl, sich selbst mit dem Drehen kleinerer Stellschrauben schon viel Gutes tun zu können.
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