Nachgefragt: Start-ups im Interview

Chris Cardé von HeyCharge

Chris, Euer Team hat das Start-up HeyCharge gegründet. Ihr wollt Mehrfamilienhäuser einfach und günstig mit Ladestationen für E-Autos nachrüsten. Wie kam es zu der Idee?

Ich habe vor drei Jahren mein erstes Elektroauto gekauft und habe es mit großem Stolz nach Hause gefahren. Ich wohne in München in einer Wohnung, und mir war schon klar, dass ich nicht immer und überall eine Ladestation vorfinden würde. Aber ich hätte nicht gedacht, wie frustrierend es sein würde, dieses Auto aufzuladen – es war schon fast schmerzhaft! Also habe ich entschieden, nach einer Lösung zu suchen. Denn ich bin ja nicht allein mit diesem Problem: Überall ist Strom verlegt, aber man kommt als E-Auto-Besitzer nicht dran – schon gar nicht, wenn man kein Eigenheim hat.

Eine Lösung zu finden ist eine Sache, ein Unternehmen zu gründen eine andere. Was ist euer Antrieb?

Unsere Vision ist, dass das Aufladen von Elektrofahrzeugen überall und ganz einfach möglich sein wird. Wir sehen hier großes Potenzial: Experten sagen, dass wir die Umsteigerate von Verbrennungsmotoren auf E-Fahrzeuge um 10 bis 20 Prozent steigern könnten, wenn Menschen, die in Mehrfamilienhäusern leben, sich keine Sorgen ums Aufladen mehr machen müssten. In Europa sind das mehr als 180 Millionen Menschen! Wenn wir es für sie einfacher machen, ein E-Auto in ihr Leben zu integrieren, bekommen wir mehr E-Fahrzeuge auf die Straße und reduzieren CO2-Emissionen drastisch.

Die offizielle Gründung von HeyCharge war im März 2020, kurz vor dem ersten Corona-Lockdown. Ist die Pandemie derzeit eure größte Herausforderung?

Klar, das war ein beängstigender Zeitpunkt, um ein Unternehmen zu gründen. Aber es hat mir und dem Team auch die Augen geöffnet. Ich würde fast sagen, dass es ein glücklicher Zufall war. Ich denke oft darüber nach, welche Fehler wir gemacht hätten, wenn wir vor der Corona-Pandemie gestartet wären. Wir hätten wahrscheinlich Büros angemietet, die jetzt nur ein Klotz am Bein wären. Oder wir hätten zu schnell zu viele Leute eingestellt. Die Pandemie hat uns gezwungen, bedachter zu agieren. Auf der anderen Seite hat die Pandemie den öffentlichen Diskurs zu nachhaltigem Leben und Wirtschaften vorangetrieben. Von der Bundesregierung bis in die Privathaushalte stellen sich die Menschen die Frage: „In was für einer Welt wollen wir leben?“ Das sind für uns sehr gute Voraussetzungen.

Was waren für euch bisher die wichtigsten Meilensteine?

Wir haben viel Zeit darauf verwandt, genau zu verstehen, welche Probleme wir eigentlich lösen müssen, damit Bewohner von Mehrfamilienhäusern ihre E-Fahrzeuge leichter aufladen können. Dabei hat sich auch unser Angebot weiterentwickelt: Am Anfang stand die Idee, eine Online-Plattform zu entwickeln, die den Verkauf von Strom zwischen Vermietern oder Gebäudemanagern auf der einen Seite und Mietern auf der anderen Seite erleichtert. Uns war anfangs allerdings nicht bewusst, wie groß der Aufwand hinsichtlich Steuern und Buchhaltung für die Vermieter bei so einem Modell wäre. Deshalb war ein ganz wichtiger Meilenstein die Entscheidung, das Geschäftsmodell zu ändern: Wir rüsten Tiefgaragen mit Ladestationen nach und verkaufen den Nutzern den Strom direkt.
Den größten Aha-Moment hatten wir, als wir uns der Hardware zugewandt haben. Ursprünglich wollten wir bereits existierende Ladestationen und sogenannte Wallboxen dafür nutzen. Doch wir haben festgestellt, dass die Hardware auf dem Markt schlicht zu teuer ist, um sie flächendeckend einzubauen. Das ist das eigentliche Problem, das es zu lösen galt. In einer Welt, in der es E-Autos für 20.000 Euro zu kaufen gibt, ergibt es keinen Sinn, Tausende Euro für eine Ladestation auszugeben. Uns wurde klar: Für Bewohner von Mehrfamilienhäusern sind diese Kosten der größte Blocker beim Umstieg auf E-Mobilität.

Wie sieht eure Lösung aus?

Weil in Mehrfamilienhäusern mehr als nur ein Nutzer eine Ladestation nutzt, brauchten sie bisher einen Internetzugang. So konnte die Station erkennen, wer überhaupt berechtigt war, Strom zu tanken, und dann übermitteln, was derjenige verbraucht hat. Das alles macht sowohl die Hardware als auch die Installation und die Betriebskosten sehr teuer. Mit unserer App umgehen wir dieses Problem. Wir haben dazu die passende Hardware entwickelt, die ohne Internetanschluss auskommt, und mit der wir die Kosten erheblich senken können. Hinzu kommt, dass unsere App sehr leicht zu bedienen ist. Gebäudemanager können sich ganz einfach einloggen und ihre Mieter als Nutzer anlegen. Eine lange Schulung ist nicht nötig. Wir sind also bereit für unsere erste große Pilotphase – was noch fehlt, sind Investoren.

Ihr seid seit Oktober im Accelerator Programm von EIC Climate KIC, das von ERGO und Munich Re unterstützt wird. Was erhofft ihr euch von der Zusammenarbeit?

EIT Climate KIC hat schon jetzt unsere Erwartungen übertroffen. Das Training und die finanzielle Unterstützung sind sehr hilfreich. Am meisten profitieren wir von dem Netzwerk an Experten und dem Mentoring, das wir erhalten. Die Zusammenarbeit mit ERGO und Munich Re ist sehr spannend, weil es viele Überschneidungen gibt: Wer heute ein E-Auto kauft, muss es versichern, parken und aufladen. Wir freuen uns darauf, hier gemeinsam an Lösungen für die Zukunft zu arbeiten.

Eine Luftaufnahme der Green Garage mit Solarpaneelen auf dem Dach, wo der Pitchday des Climate-KIC-Accelerators im Juni 2017 stattfand.
Diese Start-ups sind schon auf Erfolgskurs

Ihre kreativen Lösungen sind so unterschiedlich wie die Start-ups selbst. Doch eines eint alle: Sie werden oder wurden beim Side Call von Climate-KIC und Munich Re und ERGO gefördert.