Inmitten der Altstadt von Düsseldorf, wo die Straßen von geschäftigem Leben geprägt sind, gibt es einen Ort, der oft übersehen wird – die Altstadt-Armenküche e.V. Hier treffen sich täglich Menschen, die auf der Suche nach mehr als nur einem warmen Essen sind …
Die Luft ist erfüllt von Duft frisch zubereiteter Speisen, während ehrenamtliche Helfer in der Küche geschäftig arbeiten. An den Tischen sitzen Gäste unterschiedlichster Herkunft, vereint in ihrer Not, aber auch in der Hoffnung auf ein offenes Ohr und ein wenig menschliche Wärme. In dieser besonderen Atmosphäre beginnt die Geschichte eines Vereins, der seit über 30 Jahren Brücken zu den Menschen in Not schlägt und ihnen dabei hilft, wieder einen Platz in der Gesellschaft zu finden.
Seit rund 13 Jahren erhält die Altstadt-Armenküche Spenden von ergo: wir helfen. Die Initiative, dieses Projekt zu unterstützen, ging damals von einer Mitarbeiterin des Unternehmens aus, die sich lange Jahre ehrenamtlich dort engagiert hatte.
„Dass uns ERGO über so viele Jahre regelmäßig unterstützt, wissen wir sehr zu schätzen. Nur durch unsere Spender können wir weiterhin unabhängig arbeiten. Ihre Bereitschaft zu helfen, ist großartig. Übrigens nehmen viele Privatpersonen ihre Feiern oder ihre Teilnahme am Vereinsleben zum Anlass, für Spenden zu werben“, betont Dominikanerpater Wolfgang Sieffert, Mitgründer des Vereins Altstadt-Küche und einer von zwei ehrenamtlichen Geschäftsführern.
Corona-Zeit hat kreative Potenziale freigesetzt
Es ist ihm wichtig zu erwähnen, dass alle Lebensmittel, die verarbeitet werden, regulär eingekauft werden. Anders ließe es sich nicht managen, jeden Tag aufs Neue ein schmackhaftes Essen für die hohe Anzahl der Gäste zu kochen: „Wir müssen zuverlässig disponieren, damit wir rund 200 Personen täglich einen abwechslungsreichen Speiseplan anbieten können.“ Dass die Einschränkungen während der Corona-Zeit kreative Potenziale in seinem Team freigesetzt haben, freut ihn besonders. Der Ehrgeiz war geweckt, trotz aller Widrigkeiten, keine Abstriche machen zu müssen.
Auf die Frage, wie es zu der Gründung des Vereins kam, hat Wolfgang Sieffert eine klare Antwort: „Ich habe Anfang der 1990er Jahre bemerkt, dass es wieder Menschen gibt, die Hunger haben.“ Dass die Zahl derer, die auf der Straße ihren Lebensmittelpunkt hat, weiter ansteigt, macht deutlich, wie wichtig seine Arbeit und die der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gerade heute ist. Und die Auswirkungen der Altersarmut sind deutlich sichtbar.
„Viele kommen mit ihrer Rente angesichts der steigenden finanziellen Belastungen durch Miete, Nebenkosten und auch Lebensmittel nicht mehr klar“, konstatiert Wolfgang Sieffert. Gerade in dieser Gruppe gäbe es viele, die sich schämen und sich nicht trauen, Ämter aufzusuchen und um die Unterstützung zu bitten, auf die sie Anspruch haben. „Auch ihnen greifen wir unter die Arme. Und so kurios es klingt: Wir sind froh, wenn wir sie als Gäste verlieren, weil es zeigt, dass sie wieder ein autonomes Leben führen können.“
Warmes Essen schlägt Brücken zu den Menschen in Not
Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Eines eint sie: Sie wollen helfen. Wolfgang Sieffert: „Da sind zum einen diejenigen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind oder Personen, deren Kinder nicht mehr im Elternhaus leben und die nicht Fulltime arbeiten. Aus dieser Gruppe rekrutiert sich ein Großteil der Helfenden, die über viele Jahre mit uns arbeiten. Zugleich unterstützen uns auch Menschen, die über einen begrenzten Zeitraum keine Arbeit haben oder eine Fortbildung machen oder Studierende, die einen Teil ihrer freien Zeit gern mit uns verbringen und helfen wollen.“
Die Idee der Altstadt-Armenküche umschreibt Wolfgang Sieffert folgendermaßen: „Wir wollen für die Menschen da sein. Und Essen ist eine gute Brücke, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und mehr über ihre Sorgen und Notlagen, ihre ganz persönlichen Geschichten zu erfahren. Das alles soll in einer kommunikativen Atmosphäre geschehen.“ Daraus ergeben sich Gelegenheiten, sozialarbeiterisch aktiv zu werden. Dabei sei zum Beispiel schon ein neu ausgestellter Personalausweis ein großer Erfolg, der den Betroffenen einen Schritt weiter in ein selbstständiges Leben ermöglicht. Schon kleine Anstöße können viel bewirken. „Ihnen einen konkreten Ansprechpartner zu nennen, kann ihnen die Scheu vor Institutionen, die sie nicht kennen oder die sie nicht aufzusuchen wagen, nehmen.“
Mit einigen Gästen besteht der Kontakt über Jahre, mit anderen nur sporadisch. Rund ein Drittel von ihnen sind Wohnungslose, von denen die meisten auch die Nächte auf der Straße verbringen. Ein weiteres Drittel kommt nur auf unbestimmte Zeit zur Armenküche. Sie wurden meist durch persönliche Ereignisse aus der Bahn geworfen, kommen dann aber wieder auf die Beine. Der letzte Teil setzt sich aus armen, häufig älteren Menschen, die teils unter Einschränkungen leiden, aber in einer eigenen Wohnung leben, zusammen.
Die Notlagen werden komplexer
„Wir können feststellen, dass Notlagen der Einzelnen größer und komplexer geworden sind“, erklärt Wolfgang Sieffert. „Nicht selten sammeln wir in zwei Stunden vor Ort Aufgaben, für die wir zwei Tage brauchen, um sie abzuarbeiten. Es sind nicht mehr nur die kleinen Alltagsprobleme, die sich schnell lösen lassen, wie etwa die Vereinbarung eines Arzttermins, die Neuausstellung des verlorenen Personalausweises oder ein paar Euro für ein Passfoto.“ Er erlebt immer mehr Fälle, in denen er beispielsweise mit chronischen oder Suchtkrankheiten seiner Gäste konfrontiert ist, der Kontakt zum Jobcenter seit Monaten abgebrochen ist oder es überhaupt keine Unterstützung seitens der staatlichen oder kommunalen Stellen mehr gibt. Wolfgang Sieffert: „Die Aufgaben sind gewachsen, und der Aufwand hat sich für uns erheblich erhöht.“
Über die Jahre sind aber auch die Kontakte zu wichtigen Institutionen enger geworden. Der Austausch mit Jobcentern, städtischen Ämtern, den Wohlfahrtsverbänden oder auch weiteren Anbietern von Hilfen wie für Tagesaufenthalte, Nachtunterkünfte oder Duschmöglichkeiten bindet allerdings viel Zeit und Energie. „Wir arbeiten in verschiedenen Gremien mit und geben Anregungen, die Situation zu verbessern. Das trägt Früchte“, sagt er. „Wir können beim Rückblick auf die vergangenen Jahre feststellen, dass eine deutlich verbesserte kooperative Atmosphäre entstanden ist in der Kommunikation mit Politik, Verwaltung und Verbänden.“
Auf dieser Basis wollen er und sein Team auch weiterhin die Not der Menschen, die in die Armenküche kommen, lindern und ihnen ein Stück mehr Lebensqualität geben – ein Anspruch, der ohne den Rückhalt und die Spendenbereitschaft auch aus der Zivilgesellschaft nicht möglich wäre. Wie bei ergo: wir helfen …
Text: Bärbel Naberbäumer/Martin Sulkowsky