Digitalisierung & Technologie, 10. April 2025

Human Centricity

Der Mensch im Mittelpunkt der digitalen Transformation

Der Mensch im Mittelpunkt

Digitale Technologien bestimmen unser Leben – bei der Arbeit und im Alltag. Während wir ihre Vorteile nutzen, dürfen wir dennoch den Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Wie aber stellen wir sicher, dass Technik nicht zum Selbstzweck wird, sondern ein Mittel, um unser Leben wirklich zu verbessern?

Technologie mit Sinn

Human Centricity zielt darauf ab, Produkte, Systeme oder Dienstleistungen so zu gestalten und nutzbar zu machen, dass sie sich auf die Anforderungen von uns Nutzenden konzentrieren. Das Ziel: intuitive, effektive und nutzerfreundliche Lösungen, die unser Leben erleichtern. Doch es geht um mehr als Bedienbarkeit – ein ganzheitlicher Ansatz berücksichtigt auch emotionale, soziale und ethische Aspekte.

Wir glauben, dass Digitalisierung die Handlungsmöglichkeiten des Menschen sowie seine Lebensqualität – in Lebens- und Arbeitswelten – erweitern und verbessern kann. Diese Vision ist aber nur nachhaltig realisierbar, wenn Technologien und (digitale) Lösungen entwickelt werden, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen; die ihn qualifizieren, motivieren und einbinden und potenzielle Ängste berücksichtigen.

Humanzentrierte Organisationen gewinnen an Bedeutung

Sinnhaftigkeit und zwischenmenschliche Beziehungen gewinnen in einer technologiegetriebenen Welt wieder an Bedeutung – privat wie auch beruflich. Zu diesem Schluss kam auch die im Juli 2024 veröffentlichte Studie „HRM der Zukunft“. Das Thema „Humanzentrierte Organisationen“ gehört darin zu den identifizierten Top-Trends.

Technologie kann dabei eine entscheidende Rolle spielen – als Enabler für eine humanzentrierte Arbeitswelt: Digitale Kollaborationsplattformen fördern ortsunabhängiges, flexibles Arbeiten. KI-gestützte Assistenzsysteme erleichtern den Arbeitsalltag. Automatisierung reduziert repetitive Aufgaben, damit Mitarbeitende sich stärker auf kreative und wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können. Solche Lösungen sind besonders wirkungsvoll, wenn sie eben nicht nur die Effizienz steigern, sondern darüber hinaus die Arbeitsqualität und das Wohlbefinden der Menschen verbessern.

Keine Industrie 5.0 ohne human zentrierten Ansatz

Die Wirtschaft in die Gestaltung einer menschenzentrierten Technologie einzubinden, ist wichtig auf dem Weg zur Industrie 5.0. Dort steht die Integration menschlicher Arbeitskraft mit fortschrittlicher Technologie im Fokus der Aufmerksamkeit, damit in Unternehmen der Zukunft beides optimal zusammenwirken kann. Es wird nicht mehr darum gehen, zu automatisieren, sondern darum, eine kooperative Umgebung zwischen Maschine und Mensch zu schaffen. Humane Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz, kritisches Denken oder auch Kreativität sind in absehbarer Zeit unersetzbar und spielen auch zukünftig eine wesentliche Rolle für die Weiterentwicklung industrieller Prozesse und Innovationen. Dieser tiefgreifende und vor allem komplexe Paradigmenwechsel muss gestaltet werden. Mitarbeitende auf diesem Weg mitzunehmen, gilt dabei als wesentlicher Erfolgsfaktor.

Smarte Verwaltung und Städte im Dienste der Menschen

Aber nicht nur in Unternehmen, auch auf Verwaltungsebene muss die Digitalisierung auf uns Menschen ausgerichtet sein. Finnland zeigt schon heute, wie es geht: Dort stellt die Steuerbehörde ihren Bürgern und Bürgerinnen vorausgefüllte Steuererklärungen bereit. Gleichzeitig entlastet die Automatisierung Verwaltungsmitarbeitende, die sich auf individuelle Beratung konzentrieren können, statt Routinetätigkeiten abzuarbeiten. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie digitale Innovationen die öffentliche Verwaltung effizienter machen und gleichzeitig die Zufriedenheit der Bevölkerung und Mitarbeitenden steigert, eben weil sie konsequent an den realen Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sind.

Wie Human Centricity zukünftig positiv in den Alltag von urbanen Gesellschaften hineinspielen kann, zeigt Songdo. In dieser als Smart City konzipierten südkoreanischen Stadt erfassen 500.000 Sensoren Verkehrsströme, Energieverbrauch und Luftqualität in Echtzeit, um intelligente Steuerungssysteme zu ermöglichen. Ziel ist nicht nur eine ressourcenschonende Stadt, sondern eine, in der die Stadtgesellschaft weniger Zeit mit Staus, schlechter Luft oder überfüllten Straßen verbringen muss. Auch in der Gestaltung des öffentlichen Raums zeigt sich ein menschenzentrierter Ansatz: Songdo setzt gezielt auf Fußgängerfreundlichkeit, breite Grünflächen und autofreie Zonen, um die Stadt lebenswerter zu machen. Studien belegen, dass auf den Menschen ausgerichtete urbane Konzepte die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden fördern, indem sie Stress reduzieren und mehr gleichzeitig Raum für soziale Interaktion schaffen.

Obgleich Songdo mit seinem datengesteuerten Stadtmanagement eine hohe Effizienz erreicht, empfanden manche die allgegenwärtige digitale Überwachung zunächst als Eingriff in ihre Privatsphäre. Dieses Spannungsfeld zeigt, dass Technologie neben funktionalen Vorteilen auch gesellschaftliche Akzeptanz und Vertrauen gewinnen muss. Eine rundum menschenzentrierte Stadt ist daher nicht bloß technologisch „smart“, sie ist ethisch reflektiert.

Werteorientierte Technologieentwicklung

An dieser Stelle von Technologie und Vertrauen setzt auch die Arbeit des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) an. Dort wirkt man gezielt an Projekten mit, die KI-Systeme mit Blick auf den Menschen gestalten – also die Bedürfnisse und Rechte des Einzelnen in den Mittelpunkt stellen, aber auch einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft bewirken können. So etwa bei dem Projekt HumanE-AI-Net. Das damit verbundene europäische Netzwerk unter der Leitung des DFKI arbeitete von 2020 bis 2024 an wissenschaftlichen Grundlagen und technologischen Durchbrüchen, die es braucht, um menschengerechte KI-Systeme zu entwickeln, die ethische Prinzipien berücksichtigen. Hier wurde weltweit führende KI-Kompetenz mit Schlüsselakteuren aus verwandten Bereichen wie etwa Mensch-Computer-Interaktion (HCI), Kognitionswissenschaft, Sozialwissenschaften und Komplexitätsforschung vereint. 

Selbst eine großartige Idee oder Mission kann durch ein Design, das nicht den Menschen in den Mittelpunkt stellt, beeinträchtigt werden. Warum sollten menschliche Überlegungen – wie deren Bedürfnisse, Wünsche und Träume – erst später in die Diskussion einfließen?

Der Mensch zählt!

Wie wir schon heute neue Technologien gestalten, entscheidet darüber, in welcher Welt wir morgen leben werden. Human Centricity ist dabei mehr als nur ein Modebegriff: Sie beschreibt eine Haltung, die konsequent den Menschen ins Zentrum stellt, die Technologien gezielt so gestaltet, dass sie unser aller Leben besser, sicherer und gerechter machen. Wenn wir die digitale Transformation aus einer zutiefst menschlichen Perspektive angehen, kann sie allen zugutekommen. 


Ihre Meinung
Wenn Sie uns Ihre Meinung zu diesem Beitrag mitteilen möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an: radar@ergo.de


Weitere Magazin-Beiträge