Digitalisierung & Technologie, 26. Mai 2025

Agentic AI: Neue Möglichkeiten und menschliche Unverzichtbarkeit

Neue Einsatzmöglichkeiten für KI-Systeme

Agentic AI

Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz geht unvermindert weiter. Ein großes Thema sind dabei aktuell KI-Agenten, die komplexere Aufgaben mit mehreren Arbeitsschritten automatisch lösen sollen. Sie zeigen einen Blick auf eine Zukunft mit vielen neuen Einsatzmöglichkeiten für KI-Systeme. Agentic AI zeigt an entscheidenden Stellen aber auch die menschliche Unverzichtbarkeit.

Agentic AI bezeichnet KI-Systeme, die nicht einmalig nur auf direkte Nutzereingaben reagieren, sondern eigenständig komplexere Aufgabenketten ausführen. Sie verfolgen dabei automatisiert vorgegebene Ziele und treffen auf ihrem Weg eigenständig Entscheidungen. Wirklich klar einzugrenzen sind diese Systeme aber bisher nicht.


Was ist Agentic AI?

Agentenbasierte KI (Agentic AI) bezeichnet künstliche Intelligenzsysteme, die in der Lage sind, selbstständig zu handeln, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Im Gegensatz zu herkömmlichen KI-Systemen, die nur auf direkte Anweisungen reagieren, können KI-Agenten eigenständig Entscheidungen treffen, mehrere Schritte planen und ausführen und bei Hindernissen alternative Wege finden. Sie funktionieren wie virtuelle Assistenten, die komplexe Aufgaben mit minimaler menschlicher Aufsicht ausführen können.

Ein KI-Agent kann verschiedene Werkzeuge nutzen, mit anderen Systemen kommunizieren und aus Erfahrungen lernen, um seine Aufgaben immer besser zu bewältigen. Die zentrale Idee ist, dass KI nicht mehr passiv auf einzelne Befehle wartet, sondern aktiv und zielorientiert in ihrer Umwelt handelt.


Beispiele für Agentic AI aus verschiedenen Branchen

Um die vielfältigen Möglichkeiten von Agentic AI kennenzulernen, schauen wir uns nachfolgend einige konkrete Einsatzszenarien aus verschiedenen Bereichen an. Sie zeigen sehr deutlich, wie sich agentische KI-Systeme von dialogischen KI-Systemen wie ChatGPT, Gemini oder Claude unterscheiden.

Wichtig: Diese Beispiele skizzieren lediglich Möglichkeiten für den Einsatz von agentischen KI-Systemen und geben damit einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft. Wie schnell sich Agentic AI tatsächlich entwickelt und diese theoretischen Szenarien in den praktischen Alltag überführt werden, bleibt abzuwarten.

Wissensarbeit

Ein juristischer Recherche-Agent unterstützt Rechtsanwälte bei komplexen Rechtsfällen. Der Agent durchsucht automatisch Tausende von Gesetzestexten, Rechtsprechung und Fachliteratur nach Informationen, die für den aktuellen Fall relevant sind.

Er identifiziert nicht nur direkte Bezüge, sondern erkennt auch Zusammenhänge zwischen verschiedenen Rechtsgebieten und stellt Verbindungen zu ähnlichen Präzedenzfällen her, die ein menschlicher Anwalt möglicherweise übersehen hätte.

Der Agent fasst die gefundenen Informationen strukturiert zusammen, weist auf widersprüchliche Rechtsprechung hin und generiert erste Argumentationslinien mit entsprechenden Quellenangaben.

Der Anwalt würde für diese Grundlagenarbeit Tage oder gar Wochen benötigen. Mit der Vorarbeit des Agenten kann er sich nun auf die juristische Ausarbeitung konzentrieren, für die menschliches Urteilsvermögen, juristische Erfahrung und strategisches Einfühlungsvermögen unersetzlich bleiben.

Forschung

Ein Genomforschungs-Agent analysiert kontinuierlich Daten aus Gensequenzierungsexperimenten und vergleicht sie mit globalen genetischen Datenbanken in Echtzeit. So identifiziert er bei der Erforschung seltener Krankheiten selbstständig Genmutationen, die mit dem Krankheitsbild korrelieren könnten.

Anschließend plant und orchestriert er Laborexperimente zur Validierung dieser Hypothesen und steuert Robotiklaborsysteme. Nach jedem Versuchsschritt plant und orchestriert der Agent automatisiert Laborexperimente zur Validierung dieser Hypothesen, indem er robotische Laborsysteme steuert und die Versuchsprotokolle kontinuierlich anpasst.

Er dokumentiert minutiös jeden Schritt in maschinenlesbaren Laborjournalen, die perfekte Reproduzierbarkeit gewährleisten. Dadurch können sich Wissenschaftler auf Interpretation der Ergebnisse, die Entwicklung neuer Forschungsansätze und die ethischen Implikationen ihrer Entdeckungen konzentrieren. Die Zusammenarbeit mit dem KI-Agenten beschleunigt den Forschungsprozess erheblich.

Medizin

Ein klinischer Entscheidungshilfe-Agent analysiert die elektronische Patientenakte eines Patienten mit komplexen Symptomen, einschließlich Vorerkrankungen, Medikationen, Laborwerte und Bildgebungsdaten. Er vergleicht diese Informationen mit Millionen ähnlicher, anonymisierter Fälle aus weltweiten medizinischen Datenbanken und identifiziert seltene Muster, die auf ungewöhnliche Diagnosen hindeuten könnten.

Während der Arzt den Patienten untersucht, kann der Agent in Echtzeit Fragen vorschlagen. Nach der Diagnose simuliert der Agent verschiedene Behandlungsoptionen und prognostiziert Erfolgswahrscheinlichkeiten und mögliche Nebenwirkungen.

Der Arzt behält die finale Entscheidungshoheit. Die Zusammenarbeit führt zu präziseren Diagnosen, personalisierten Behandlungsplänen und besserem Behandlungsergebnis, während der Arzt wertvolle Zeit für die wichtige menschliche Interaktion mit dem Patienten gewinnt.

Der Status quo von Agentic AI – und warum der Mensch unverzichtbar bleibt

Die skizzierten Anwendungsfälle sind aktuell noch keine Realität, dürften in absehbarer Zukunft jedoch umsetzbar sein. Sie alle haben ein spezielles Muster, um das es bei agentischen KI-Systemen geht:

  • Sichtung, Analyse und Bewertung von umfangreichen Daten.
  • Aufspüren von Mustern durch den Vergleich mit großen Datenmengen.
  • Übergabe an menschliches Fachpersonal, das Entscheidungen trifft und die KI-Vorarbeit finalisiert.
  • Die Übernahme der automatisierbaren Arbeitsanteile reduziert die menschliche Arbeitsbelastung und lässt mehr Zeit für den zwischenmenschlichen Austausch und Kreativität.
     

Menschliche Fähigkeiten wie echte Empathie, ethisches Urteilsvermögen, Vertrauensaufbau oder der kreative Umgang mit völlig neuen Situationen können in absehbarer Zukunft nicht von einer KI übernommen werden.

In vielen Bereichen werden wir als Gesellschaft zudem ganz bewusst entscheiden, dass Menschen unverzichtbar bleiben – sei es aus ethischen, sozialen oder Sicherheitsgründen.

Text: Falk Hedemann

Für mich ist ‚Human in the loop‘ der einzige Ansatz, der Sinn macht. Nicht technologisch. Technologisch geht beinahe alles und durch beschleunigte Zyklen immer schneller viel mehr. Aber wir menschlichen Nutzer haben Ansprüche.

Mark Klein, CDO ERGO Group

ERGO Perspektive: „Intelligenz als Assistenz“

Und auch ERGO CDO Mark Klein schreibt dazu auf LinkedIn: „Fantastisch, was mit Agentic AI möglich wird.“ Er ist ebenfalls der Überzeugung, dass KI-Agenten auch in unserer Industrie, der Versicherungsbranche, wichtige Treiber für Effizienz und Automatisierung werden.

Mark Klein weiter: „Doch manch einer hyperventiliert bereits: Es werde Firmen geben, die nur aus AI-Agenten-Abteilungen zusammengestellt sind. Manche planen jetzt schon Ausschreibungen auf der Suche nach KI-Mitarbeitern (statt menschlichen). Klingt alles nach: ‚Die Maschine übernimmt.‘“

Wer so denke, für den müsse die Forderung nach „Human in the loop“ entweder „vorgestrig“ wirken oder wie „Fake News“ wirken, um die wahren Tatsachen zu verschweigen, so Mark Klein weiter: „Für mich aber ist ‚Human in the loop‘ der einzige Ansatz, der Sinn macht. Nicht technologisch. Technologisch geht beinahe alles und durch beschleunigte Zyklen immer schneller viel mehr. Aber wir menschlichen Nutzer haben Ansprüche. Die meisten ERGO Kunden wollen immer noch telefonieren! Klar, PhoneBots und ChatBots werden immer besser angenommen. Aber nur, um zum echten Menschen zu kommen, wenn es wirklich wichtig wird. Wir trauen Menschen, nicht Maschinen, auch wenn wir anpassungsfähig sind.“ Deshalb sei Agentic AI wie folgt am besten beschrieben: „Intelligenz als unsere Assistenz“

Text: Ingo Schenk


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