Digitalisierung & Technologie, 20. August 2024

Wie KI bei der Batterie-Entwicklung hilft

Gesteigerte Anforderungen an Effizienz und Kapazität

E-Auto

Batterien werden als Energiespeicher immer wichtiger. Ohne sie gäbe es keine Elektromobilität, keine Smartphones und keine Herzschrittmacher. Doch die Anforderungen an Effizienz und Kapazität lassen sich mit herkömmlichen Lithium-Batterien in Zukunft nicht mehr erfüllen. Forscher setzen deshalb auf künstliche Intelligenz (KI), um die Batterie-Entwicklung zu beschleunigen. 

Erneuerbare Energien aus Sonne, Wind und Wasser sind nahezu unbegrenzt verfügbar. Sie ermöglichen die globale Energiewende ebenso wie die Elektromobilität und den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft insgesamt. Da die Energieerzeugung aus natürlichen Quellen jedoch von Faktoren abhängt, die sich nicht verlässlich steuern lassen, kommt der Entwicklung effizienter und leistungsfähiger Batterien als Energiespeicher eine besondere Bedeutung zu.

Rasant wachsender Bedarf erfordert neue Lösungen

Wie wichtig die Entwicklung neuer Energiespeicher ist, zeigt eine Analyse der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen vom Herbst 2023. Darin wird der weltweit stark wachsende Bedarf an Batterien bis 2030 auf 5.000 Gigawattstunden beziffert, was einem jährlichen Wachstum von 34 Prozent entspricht. Haupttreiber der steigenden Nachfrage sind Elektrofahrzeuge, stationäre Energiespeicher sowie portable Elektronik.

Vor allem für mobile Anwendungen werden bisher hauptsächlich Batterien auf Lithium-Basis eingesetzt. Dieser Rohstoff könnte jedoch zum limitierenden Faktor der Elektrifizierung werden, da die Nachfrage schneller wächst als das Angebot. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) kommt in einer Marktprognose zu dem Schluss, dass es „im Jahr 2030 zu massiven Angebotsengpässen kommen könnte“.

Auch abgesehen von Verfügbarkeitsengpässen ist Lithium problematisch. So führt die Gewinnung aus Salzseen in Südamerika zu regionaler Wasserknappheit und daraus resultierenden sozialen Konflikten. Zudem befindet sich die Rückgewinnung von Lithium beim Recycling von gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien noch im Entwicklungsstadium. Es gibt zwar erste vielversprechende Verfahren, die aber noch keine nennenswerten Mengen zurückgewinnen.

Die prognostizierte steigende Nachfrage nach Lithium bei gleichzeitiger Verknappung des Angebots wird die Preise sowohl für den Rohstoff als auch für alle Produkte, die Lithium-Akkus verwenden, in die Höhe treiben. Das wiederum würde zum Beispiel den Wandel zur Elektromobilität gefährden, der ohnehin schon stockt, weil E-Autos teurer sind als Verbrenner.

Einen Ausweg versprechen sich die Wissenschaftler von der beschleunigten Entwicklung neuer Batterie-Generationen – mit und ohne Lithium. Dabei nutzen sie die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz auf vielfältige Weise.

Die Entwicklung neuer Batterien läuft seit Jahren auf Hochtouren, doch neue lithiumfreie Batterien für den mobilen Einsatz werden noch einige Zeit brauchen, bis sie marktreif sind.

Welche Technologie beerbt Lithium-Ionen-Akkus?

Die Entwicklung neuer Batterien läuft seit Jahren auf Hochtouren, doch neue lithiumfreie Batterien für den mobilen Einsatz werden noch einige Zeit brauchen, bis sie marktreif sind. Deshalb arbeiten Forscherinnen und Forscher auch daran, die Herstellung der etablierten Lithium-Ionen-Akkus zu optimieren. Denn obwohl diese Batterien bereits seit 1991 kommerziell eingesetzt werden, gibt es bei ihrer Herstellung noch viel Optimierungspotenzial.

Am Lehrstuhl „Production Engineering of E-Mobility Components“ der RWTH Aachen haben Forscherinnen und Forscher rund 2.100 Ursache-Wirkungs-Beziehungen identifiziert, die bei der Herstellung von Lithium-Batterien die Zellqualität mindern können. Bereits kleine Abweichungen bei der Elektrodenherstellung, dem Zellaufbau und der Zell-Finalisierung können massive Auswirkungen haben und zu Ausschussraten von über 10 Prozent führen.

Mit Hilfe von KI-Datenanalysen soll die Fehlerquote in Zukunft deutlich reduziert werden. Spezialisierte KI-Anwendungen führen dazu automatisierte Fehlerursachenanalysen durch, um die Ursachen von Qualitätsabweichungen zu identifizieren. Darüber hinaus überwachen KI-Anwendungen den Zustand der Maschinen in der Produktionslinie. So können Probleme frühzeitig erkannt und durch eine intelligente, proaktive Wartungsplanung vermieden werden. Insgesamt versprechen diese KI-Ansätze deutliche Effizienzsteigerungen, Qualitätsverbesserungen und Kosteneinsparungen, die kurzfristig realisiert werden können.

Am Pacific Northwest National Laboratory (PNNL), einer Forschungseinrichtung des US-Energieministeriums, sorgte kürzlich ein Projekt aus der Batterieforschung für Aufsehen. Gemeinsam mit dem Softwarekonzern Microsoft suchten die Forschenden mit Hilfe von KI nach geeigneten Materialien für neue Akkus, die mit deutlich weniger Lithium auskommen, ohne die Vorteile des ultraleichten Metalls zu verlieren. Insgesamt wurden 32 Millionen potenzielle Materialien analysiert.

Die enormen Fähigkeiten der KI zeigten sich nicht nur in der zu verarbeitenden Datenmenge, sondern auch in der Geschwindigkeit: Nach nur 80 Stunden waren 18 Materialien identifiziert, mit denen nun weiter geforscht werden kann. Normalerweise dauert dieser Prozess in der Forschung mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte. Am PNNL wurde dagegen bereits ein erster Prototyp entwickelt, der mit 70 Prozent weniger Lithium auskommt.

Ein weiterer Ansatzpunkt für den sinnvollen Einsatz von KI in der Batterie-Entwicklung ist die Nutzungsanalyse zur Verbesserung der Lebensdauer. Prof. Ralf Herbrich forscht dazu am Hasso-Plattner-Institut (HPI) im Bereich „KI und Nachhaltigkeit“ in Kooperation mit einem Berliner Start-up. Gemeinsam entwickeln sie Algorithmen, die verschiedene Verschleißfaktoren in Batterien erfassen und daraus Rückschlüsse für eine optimale Nutzung ziehen können. Bei Batterien in Elektroautos sind das zum Beispiel der Fahrstil, die Charakteristik der Ladevorgänge oder die Temperaturfenster beim Laden.

Ziel dieser Arbeit ist es, Alterungsprozesse physikalisch zu verstehen, ohne die Batterie öffnen zu müssen. Das Start-up „betteries“ will die Erkenntnisse anschließend nutzen, um ausgedienten Batterien nach dem Ausbau aus dem Elektroauto ein zweites Leben zu ermöglichen. Das würde auch die CO2-Bilanz der Akkus verbessern, denn derzeit sind rund 500 Ladezyklen mit erneuerbarer Energie nötig, um so viel CO2 einzusparen, wie zuvor bei der Produktion freigesetzt wurde. Eine längere Lebensdauer wäre also wünschenswert. Das Forschungsprojekt ist jedenfalls optimistisch, die Zahl der Ladezyklen mit KI-Unterstützung mindestens verdoppeln, verdreifachen oder sogar verzehnfachen zu können.

Die Kombination verschiedener KI-Systeme kann den dringend benötigten Entwicklungsschub für neue Batterien auslösen.

Wissenschaft wird nicht überflüssig – sie wird beschleunigt

Mittelfristig werden jedoch neue Batteriegenerationen benötigt, die ohne Lithium und andere knappe Rohstoffe auskommen. Bislang sind die Forschung und Entwicklung solcher Batterien jedoch teuer und langwierig. Die stark steigende Nachfrage verschiebt nun gleich mehrere Grenzen. Zum einen werden die Lithiumpreise weiter steigen, was alternative Lösungen attraktiver macht. Gleichzeitig ist schon heute absehbar, dass der Bedarf an Energiespeichern in den nächsten Jahren nicht mehr mit Lithium gedeckt werden kann.

Für die Forschung bedeutet das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Verschiebung der Prioritäten, wenn sich die Wirtschaft an der Finanzierung beteiligt. Dies ist bisher nur unzureichend der Fall. Erfolgsmeldungen aus den USA über die Beteiligung von KI an der Forschung könnten hier zusätzliche Überzeugungsarbeit leisten.

Fazit

Die Kombination verschiedener KI-Systeme kann den dringend benötigten Entwicklungsschub für neue Batterien auslösen. Deren schnelle Entwicklung zur Marktreife ist für die Lösung der zahlreichen Herausforderungen rund um Energiethemen essentiell. In Zukunft könnte die Kopplung von KI-Systemen mit Quantencomputern eine weitere Beschleunigung bringen: Probleme proaktiv zu erkennen und zu vermeiden, anstatt reaktiv auf Herausforderungen reagieren zu müssen.

Text: Falk Hedemann


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