Und wie profitieren unsere Kunden von diesen Erkenntnissen? Hätten Sie Beispiele, wie Firmenkunden das „Tech Trend Radar“ einsetzen?
Martin Thormählen: Zunächst wollen wir für die interne Digitalisierung und strategische Weiterentwicklung von Munich Re und ERGO Inspiration und Anregungen geben. Davon profitieren unseren Kunden dann mittelbar. Bei der Munich RE diskutieren wir die Trends auch mit interessierten Vorständen, den Produktentwicklern sowie Underwritern unserer Erstversicherungskunden und sind Sprecher auf Konferenzen. Hier inspirieren wir die Teilnehmer und erklären auch unsere konkrete Lösungen, die wir mittlerweile entwickelt haben – „from trends to solutions“ also.
Eine Verständnisfrage bzw. eine Nachfrage zur richtigen Lesart der Studie: Der Trend „Digital Curriences“ etwa im Trendfeld „Cyber & Crypto“ kam in diesem Jahr neu hinzu – und zwar aufgrund seiner Bedeutung direkt mit der Empfehlung „Assess“. Dabei hat die Munich Re Gruppe das Thema doch schon deutlich länger im Visier...
Martin Thormählen: Absolut. Für die grundlegende Blockchain-Technologie gibt es neben dem Bitcoin viele interessante Anwendungsfälle, das habt Ihr ja auch auf //next dargestellt. Der Bitcoin ist aber aus unserer Sicht keine gute Währung für die Nutzung bei Versicherungen, da er vor allem Spekulationsobjekt und extrem volatil ist. Inzwischen gibt es aber vielversprechende Ansätze, unter anderem von Zentralbanken, die die Vorteile einer digitalen Währung mit der Stabilität und Zuverlässigkeit einer Realwährung kombinieren sollen. Insgesamt ist die Munich Re Gruppe daher sehr vorsichtig in der Bewertung der Versicherbarkeit dieser neuen Technologien.
Haben Sie Favoriten unter Trends? Gibt es Trends, die Sie in diesem Jahr überrascht haben? Und bei welchen sind Sie besonders gespannt, wie sie sich in den nächsten Jahren – und Studien-Ausgaben – weiterentwickeln?
Daniel Grothues: Aktuell spannend sind die diversen Trends im Bereich Data & AI, allen voran die Machine Driven Decisions. Wir sehen zunehmend bei uns intern und am Markt, dass sich wiederkehrende Entscheidungen, für die es eine gute Datengrundlage gibt, sehr gut mit maschinellem Lernen automatisieren lassen.
Wir sind natürlich besonders gespannt auf die Entwicklung der Themen, die noch etwas weiter von der Anwendung entfernt sind – die aber gleichzeitig großes Potenzial haben, wirklich disruptive Änderungen auszulösen.
Quantum Computing ist hier auf jeden Fall zu nennen. Es hat sich von der Vision schon bis zu ersten praktisch gebauten Computern entwickelt. Aber noch werden sie für begrenzte Spezialthemen eingesetzt und erfordern sehr viel technisches Spezialwissen. Wir erwarten, dass es den großen Cloud-Playern Amazon, Google und Microsoft gelingen wird, die Technologie in ihren Rechenzentren massentauglich zu machen und die Nutzer sich nur noch um das eigentlich zu lösende Problem kümmern müssen. Wenn das passiert, haben wir immense Rechenleistung und komplett neue Funktionsprinzipien zur Verfügung, die ganz neue Anwendungen erlauben werden, etwa bei der Optimierung von Routen, Produktionsabläufen etc. und eben auch bei der Modellierung von Risiken.
Inwiefern trägt die neunte Ausgabe des „Tech Trend Radar“ dazu bei, unser Bild vom Rück- und Erstversicherungsgeschäft der Zukunft zu verdichten? Anders gefragt: Was verrät die neunte Ausgabe schon heute darüber, wie die Munich Re Gruppe mittelfristig und langfristig wirtschaften könnte?
Martin Thormählen: Es ist völlig klar, dass sich das Geschäftsmodell der (Rück-)Versicherung weiter digitalisieren wird. Wir haben erst einen Teil der Strecke hinter uns. Machine Learning/ AI und die Verarbeitung von Sprache (NLP) werden noch mehr Automatisierung von Standardprozessen oder –schritten ermöglichen, und damit können sich unsere Mitarbeiter in allen Bereichen von Aktuariat über Vertrieb bis Operations und IT auf die Beratung, den persönlichen Kundenkontakt und die komplexen Probleme fokussieren.
Wir werden erleben, wie wir immer mehr vernetzt sind mit den Geschäftsprozessen unserer Kunden und Partner. Das bringt neue Chancen aber auch Druck auf Margen und die Notwendigkeit, immer effizienter zu werden!
Das Interview führte Ingo Schenk