Einfach, weil's wichtig ist.
Einfach, weil's wichtig ist.
Digitalisierung & Technologie, 01. September 2022
Thomas Riedel ist Start-up-Experte, Tech-Journalist und Host des Metaverse Podcasts. Mit //next Kolumnist Markus Sekulla sprach er über das Metaverse, Crypto, WEB3 und NFTs. Thomas Riedel sagt: „Die Crypto-Branche muss dringend reguliert, wenn nicht sogar in Teilen verboten werden. Technologien, die einen so drastischen Energieverbrauch haben, sollten in einer solchen Zeit der Energieknappheit und der unmittelbaren Bedrohung durch die Zerstörung unserer Natur, wirklich nicht mehr genutzt werden.“
Hallo Thomas, kaum jemand ist in der digitialen Szene im Rheinland so gut vernetzt wie du. Womit beschäftigst du dich zurzeit vor allem?
Zwei Dinge beschäftigen mich aktuell: Podcast-Produktionen und der Metaverse-Hype. Podcasts, weil das mein zweites Standbein geworden ist. Aktuell hoste und produziere ich zum Beispiel die dritte Staffel des Gründerzeit Podcasts der Rheinischen Post, und ich produziere unter anderem die deutsche-startups.de Interview-Episoden.
Zum Thema Metaverse hatte ich schon im letzten Jahr gleich nach der Connect 2021, das ist Metas hauseigene Entwicklerkonferenz, einen Metaverse-Podcast gestartet, der mittlerweile auch einen Newsletter und ein Meetup umfasst. Ich hatte nach einem Thema gesucht, an dem ich zeigen kann, was ich während der Corona-Pandemie zum Thema Zukunftskompetenz gelernt habe und was in Deutschland noch nicht so viel besprochen wird. Und was soll ich sagen: Ich bin übermannt aufgrund des Zulaufs. Wenn man als Metaverse-Experte für das Fernsehen angefragt wird, dann muss man vermutlich irgendwas richtig machen!
Was glaubst du, wann das Metaverse den Durchbruch in die Masse schaffen könnte und welche Faktoren müssen stimmen, damit die Technologie diese Schwelle nimmt?
Es verbietet sich, eine Zukunftsvorhersage zu versuchen, habe ich von den Zukunftsforschern gelernt. Es ist schlau, sich nicht festzulegen, auch wenn das ein bisschen langweiliger ist als laut herauszuposaunen: Ich weiß genau, wie die Zukunft aussieht! Schlau ist es, weil es wirklich nicht möglich ist, genau zu sagen, wann etwas passieren wird. Insbesondere in einem sehr volatilen Umfeld. Und dass wir uns in so einem Umfeld befinden, steht außer Frage, denke ich: Aufgrund der Corona-Pandemie, des Ukraine-Krieges und der fundamentalen Bedrohung durch die Klimakatstrophe und den damit einhergehenden Problemen in Produktion und Lieferung in der Industrie. Dazu kommt, dass das, wovon wir sprechen, technisch prinzipiell jetzt schon machbar ist. Aber wie du schon auch richtig gefragt hast, ist die Adaption der Knackpunkt.
Viele der Technologien, die wir für das Metaverse theoretisch bräuchten, sind schon da: Virtual Reality zum Beispiel verfügt heute über recht komfortable Headsets mit sehr guter Software. Die Anzahl der Leute, die davon krank werden, geht mit dem Grad der Optimierung zurück. Noch nie wurden so viele Geräte verkauft wie in diesem Jahr. Alleine die Meta Quest 2 wurde mittlerweile an die 15 Millionen Mal verkauft, das ist mehr als je von der XBox verkauft wurden. Und dennoch ist das Metaverse eben nicht nur VR in neu. Das Metaverse ist ein Netzwerk an VR-Experiences, die so miteinander verbunden sind, dass man, ohne es zu bemerken, von einer zu einer anderen herübergehen kann. In etwa so, als wenn man im Internet auf einen Link klickt und zu einer anderen Webseite gelangt. Im Metaverse wäre das das Hinübergehen, zum Beispiel von einem virtuellen Café zu einem Büro oder einem Shop, ohne sich neu einloggen zu müssen, eine neue App laden zu müssen, oder plötzlich mit einer völlig anderen Auflösung, anderem Avatar und anderer Bedienung zurechtkommen zu müssen.
Eigentlich müssen wir erst noch klären, wozu das Metaverse denn eigentlich mal gut sein soll. Und das ist eher eine Usecase-Frage als eine technische Frage.
Zurück zur Frage: Eigentlich müssen wir erst noch klären, wozu das Metaverse denn eigentlich mal gut sein soll. Und das ist eher eine Usecase-Frage als eine technische Frage. Sobald das geknackt wird, könnte es losgehen. Aber noch gibt es diesen Usecase nicht, der für Nutzer ganz klar sagt: Jetzt brauche ich ein Metaverse-Zugangsgerät! Beim iPhone war das zum Beispiel der Zugang zum richtigen Internet über ein mobiles Endgerät. Aber was wird das beim Metaverse sein? Selbst Mark Zuckerberg, der den Hype gestartet hat, geht von 5 bis 10 Jahre aus, bis wir diesen Punkt erreicht haben. Die Frage ist also komplex. Und ich möchte mich hier wiederholen: Jeder, der heute schon genau weiß, wann das Metaverse da sein wird, oder sogar schon proklamiert, dass das Metaverse da ist, handelt unseriös und will euch halt etwas andrehen. Beraterleistungen zum Beispiel. Oder NFTs.
Wenn man mit Leuten über das Thema diskutiert, stellt man oft fest, dass die ganzen Buzz-Words in einen Topf geworfen werden: WEB3, Crypto, Blockchain, Metaverse, NFTs und noch einige mehr. Dass es sich hier um unterschiedliche Dinge handelt, ist vielen nicht klar. Machst du da ähnliche Erfahrungen?
Leider ja. Ich denke aber, dass es am Anfang eines Hypes normal ist. Die Leute müssen sich gedanklich ja auch erst mal damit beschäftigen und miteinander darüber diskutieren. Leider nutzen das Berater und windige Geschäftsleute bis hin zu Betrügern wie etwa in der Crypto-Branche diesen Umstand aus und verhalten sich wie Rattenfänger. Was dann dazu führt, dass unser Finanzsystem leidet, oder Konzerne sich einen Bären aufbinden lassen nach dem Schema: Sei auch du jetzt im Metaverse! Dass es dabei oft um 2D-Internet-Walkingsimulatoren mit angeflanschter Blockchain handelt, fällt ihnen nicht auf, weil sie sich einseitig beraten lassen. Oder weil ihnen die Wahrheit weniger wichtig ist als der Buzz. In der heutigen Zeit unverantwortlich.
Auf LinkedIn und Twitter sind viele sehr beliebte Inhalte von dir, die die negativen Umweltauswirkungen von NFTs und Crypto beschreiben. Kannst du diese noch mal für uns zusammenfassen?
Um klarzumachen, welches Problem NFTs sind, nutze ich gerne die Arbeit eines Experten, der neulich auch bei mir im Metaverse-Podcast war. Dirk Songür, Global Strategic Innovation bei Microsoft, analysiert regelmäßig NFT-Produkte von Konzernen.
Zuletzt hat er sich das NFT-Projekt eines großen Modelabels vorgenommen. Die Marketing-Abteilung feierte das Projekt als Erfolg, da innerhalb von 24 Stunden über 11.000 NFTs verkauft wurden. Allerdings kostete die Aktion 1.700 Tonnen CO2, was in etwa 170.000 Shirts des Herstellers entspricht.
Ein bekannter Sportschuhersteller lässt sich für virtuelle NFT-Sneaker feiern und produziert dadurch 7.437 Tonnen CO2, was der Menge von CO2 entspricht, die der Produktion von einer Millionen echten Sneakern entspricht.
Als ein großes Blockchain Technologie Unternehmen vor über drei Monaten ein neues NFT-Projekt launchte, verursachte es einen Schaden von 18.000 Tonnen CO2. Das entspricht 10.600 Flügen von New York nach London. In vier Tagen.
„Ja aber Thomas, es gibt doch auch Blockchains, die nicht so viel Energie benötigen – warum werden die nicht genutzt?“ Weil die nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen und die Preissteigerungen auf diesen Chains nicht so vielversprechend sind. Denn es geht hier letztlich um Spekulation.
Was können wir als Gesellschaft oder vielleicht auch als einzelne(r) dagegen tun?
Ich bin ein Verfechter von Bildung. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir durch Bildung die meisten unserer Probleme auf der Erde lösen können. Neben Geld, Essen und Trinken ist Bildung eine der am ungleichmäßigsten verteilten Ressourcen des Planeten, selbst in Deutschland. Das bedeutet, dass wir darauf kurzfristig eher nicht setzen können, auch wenn wir daran, wie bei den anderen Punkten, dringend arbeiten müssen.
Bis dahin sind wir gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, die Menschen davon abzuhalten, die Bedingungen für unser Leben auf diesem Planeten zu zerstören.
Das bedeutet im Klartext: Die Crypto-Branche muss dringend reguliert, wenn nicht sogar in Teilen verboten werden. Technologien, die einen so drastischen Energieverbrauch haben, sollten in einer solchen Zeit der Energieknappheit und der umittelbaren Bedrohung durch die Zerstörung unserer Natur, wirklich nicht mehr genutzt werden.
Es gibt nicht die eine Zukunft, das Schicksal, dem ich hilflos ausgesetzt bin. Zukunft ist ein Möglichkeitsraum und eigentlich müssten wir von Zukünften sprechen.
Neben dem Metaverse, welche Technologien werden in der Zukunft eine Rolle spielen, die vielleicht noch nicht jeder auf dem Schirm hat?
Neben dem Metaverse gibt es Technologien, die weitere Zukunftsversprechen beinhalten. Quantencomputer versprechen in Zukunft drastische Leistungssteigerungen, was Berechnungen von komplexen Systemen wie dem Wettersystem helfen soll. Japanische Forschende haben es geschafft im Labor 317 Terrabit pro Sekunde durch ein Glasfaserkabel zu jagen. Der bisherige Rekord lag bei 44. Um das Metaverse zu bauen und die planetare Kommunikationsinfrastruktur auszubauen, ein wichtiger Meilenstein, der laut den Forschenden wohl relativ leicht auf die bestehende Infrastruktur angewendet werden könne.
Energiegewinnung ist ein wichtiges Feld, weswegen Trillionen Dollar global in die Erforschung funktionierender Fusionsreaktoren investiert werden. Damit ist vielleicht auch die Frage beantwortet, woher in Zukunft all die Energie herkommt, mit der wir ein immersives Metaverse-Netzwerk betreiben, während wir mit den Auswirkungen der Klimakatastrophe zu kämpfen haben, die wir in den Jahrhunderten zuvor herbeigeführt haben.
Wichtig ist, zu verstehen, dass Zukunfts-Versprechen keine Fakten sind. Zukunft ist ein Möglichkeitsraum und eigentlich müssten wir von Zukünften sprechen. Denn wenn wir von Zukünften sprechen, dann wird auf einmal klar: Es gibt nicht die eine Zukunft, das Schicksal, dem ich hilflos ausgesetzt bin. Sondern einer dieser Zukünfte kann ergriffen und darauf hingearbeitet werden. Damit stellt sich die Frage: Wohin wollen wir uns entwickeln? Mit Menschlichkeit und Wissenschaft haben wir alles, was wir brauchen, um Zukünfte zu ergreifen. Wir brauchen also nicht auf irgendeine neue Technologie zu warten.
Vielen Dank, Thomas, für deine Zeit und deine Einschätzungen!
Interview: Markus Sekulla
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