Vereinfachung einfach angehen
Es ist schon angeklungen: Der Wunsch nach Vereinfachung hat durchaus das Potenzial, Dinge erst recht kompliziert zu machen. Monatelange Nabelschau, verbissene Strukturdiskussionen, lähmend komplexer Umbau von Prozessen und Hierarchien – diese Formen von Vereinfachung schaffen mehr Probleme, als sie lösen. Auch die Schaffung neuer Stabsstellen mit dem Aufgabenbereich „Vereinfachung“ ist nicht der Weisheit letzter Schluss: Auch eine Entbürokratisierungsbürokratie ist eine Bürokratie.
Eines ist klar: Auch Vereinfachung schafft zunächst einmal neue Reibungspunkte. Routinen werden durchbrochen, neue Verfahren müssen gelernt werden, Zuständigkeiten werden umgestellt, alle Beteiligten betreten Neuland. Wie lassen sich solche Veränderungen möglichst einfach einleiten?
Auf den großen Wurf verzichten
Die Wunschvorstellung, das Unternehmen in einem großen genialen Wurf umzubauen und alles radikal zu vereinfachen, führt in die Irre. Der Aufwand an Zeit und Ressourcen steht vermutlich in keinem Verhältnis zum Erfolg, allein schon deswegen nicht, weil die Umwelt nicht wartet, bis solche Großreformen endlich umgesetzt sind. Es sind die vielen kleinen Schritte, die uns voranbringen – Stichwort Agilität.
Startpunkt schaffen: Warum wollen wir vereinfachen? Was stört uns?
Am Anfang steht die Motivation. Die Menschen im Unternehmen, in der Abteilung, im Büro können sich zunächst bewusst machen, inwieweit Vereinfachung ihre Arbeit erleichtern und verbessern kann: Was wollen wir erreichen – und was wollen wir nicht mehr?
Verbessern statt neu schaffen
Es ist leichter, bestehende Prozesse zu verbessern, als Strukturen neu zu schaffen. Was an bestehenden Prozessen störend wirkt, ist schon bekannt und kann gezielt optimiert werden. Die Schwachstellen von Strukturen, die erst geschaffen werden sollen, werden sich im Laufe der Zeit erst herausstellen.
Klare Richtlinien statt aufwendige Einzelfallabstimmungen
Regeln und Richtlinien können Entscheidungen deutlich vereinfachen. Wenn vorher festgelegt ist, wie ein Unternehmen oder eine Abteilung in bestimmten vordefinierten Situationen reagieren will, werden viele Abstimmungsrunden überflüssig.
Eigenverantwortung statt Integration vieler Mitentscheider
Wenn Entscheidungsbefugnisse dezentralisiert sind, brauchen weniger Personen oder Stellen im Unternehmen in die Entscheidungsfindung integriert zu werden. Prozesse lassen sich so oft deutlich beschleunigen. Voraussetzung sind zum einen gute Entscheidungsrichtlinien. Zum anderen muss sichergestellt sein, dass die Mitarbeitenden auf die Wahrnehmung dieser Eigenverantwortung gut vorbereitet sind.
Die Verheißung der KI
Wann immer heute über Vereinfachung nachgedacht wird, kommt die Rede bald auf Künstliche Intelligenz. KI kann Unternehmen das Leben grundsätzlich auf zweierlei Art einfacher machen. Sie kann zum einen Routineaufgaben automatisieren; dadurch werden Menschen entlastet, die sich dann auf neue Herausforderungen konzentrieren können. Die zweite Stärke der KI neben der Automatisierung ist die Analyse großer Datenmengen; sie kann etwa Ressourcenverschwendung in Betriebsabläufen aufdecken, Angebote auf Kunden zuschneiden oder Mitarbeiter in Echtzeit mit genau den Informationen versorgen, die sie für eine bestimmte Aufgabe brauchen. Jan Navel von der Digitalisierungsagentur Matchplan listet zehn Bereiche auf, in der KI Arbeit vereinfachen kann. Der Weg zur Nutzung von KI zur Vereinfachung führt in der Regel über spezialisierte Tools, die auf das Unternehmen zugeschnitten werden.
KI-Chatbots wie ChatGPT als Brainstormhilfe bei der Suche nach Ideen zu verwenden, ist dagegen noch ziemlich mühsam: Wenn man sie nicht mit sehr spezifischen Informationen füttert, bleiben die Ratschläge oft zu allgemein, um nützlich zu sein („Setzen Sie sich mit Ihren Mitarbeitern zusammen und finden Sie heraus, was Sie bei Ihrer Arbeit behindert.“) Besser sind die Ergebnisse, wenn man ein Problem anhand eines Beispielszenarios möglichst konkret schildert. Das Geschäft von Coaches und Unternehmensberatungen ist hier aber derzeit von KI noch nicht bedroht.
Kultur der Einfachheit – einfach mal machen
Vielleicht ist dies der wichtigste Ansatz zur Vereinfachung: einfach mal irgendwo anfangen. Der Perfektionismus, der alle Veränderungsmaßnahmen erst aufs Genaueste durchkalkulieren will, ist mit dem Ziel der Einfachheit nicht zu vereinbaren. Vereinfachung ist auch ein mindset.
Nicht durch Absicherungsdenken und minutiöses Ausplanen von Eventualitäten kann den Unsicherheiten der Unternehmensumwelt begegnet werden. In der VUCA-Welt bewährt sich pragmatisches Entscheiden, das beim Auftreten neuer Umstände bereit ist, zügig den Kurs zu korrigieren. Diese Art von Flexibilität verlangt eine Kultur der Einfachheit: einfach mal machen – und dann den nächsten Schritt gehen.