Wie sollte ich mich also dem Projekt „Gesunde zweite Lebenshälfte“ nähern? Als guten Startpunkt empfinde ich die klassische Unterscheidung von krank oder gesund. So wie die moderne Medizin das im Moment sieht, gibt es diese beiden Pole. Entweder man ist gesund –> keine Handlung, oder man ist krank –> abwarten, Medikamente oder Chirurgie.
In der Literatur, unter anderem bei Peter Attia M.D., hat sich eine Betrachtung des Spektrums zwischen eins und zehn etabliert, wobei zehn optimale Gesundheit bedeutet. Nur weil man nicht als klinisch krank gilt, muss man noch lange nicht bei guter Gesundheit sein. Ein Ziel könnte es also sein, sich möglichst lange bei optimaler Gesundheit zu halten. Hemdsärmelig ausgedrückt sollte man nicht erst nach dem klassischen Schuss vor den Bug seinen Lebenswandel ändern. Wer keine Zeit für seine Gesundheit aufbringt, wird Zeit für seine Krankheit aufbringen, das scheint sonnenklar.
Das Leben ist wie die Fahrt mit der Titanic
Attia beschreibt die Gemengelage in seinem Buch „Outlive“ mit einem schönen Bild: Das Leben ist wie die Fahrt der Titanic. Ist man erstmal bei schlechter Gesundheit, befindet man sich bereits im Eisfeld und wird dann auf kurz oder lang unweigerlich gegen einen Eisberg fahren, also eine schwerwiegende Krankheit bekommen. Würde man jedoch den Kurs der Titanic und seiner Gesundheit einige Tage (Jahre/Jahrzehnte) vor dem Unglück um nur drei Prozent ändern, würde man gar nicht ins Eisfeld hineinfahren – was jedoch immer noch nicht die Fahrt gegen einen Eisberg ausschließen würde.
Die riesigen Eisberge sind vor allem die oft so betitelten „Four Horsemen of Death“, die vier großen Sozialisationskrankheiten, auf deren Konto die meisten Todesfälle in der industrialisierten Welt gehen. Diese sind Herzkrankheiten, Krebs, Alzheimer und Diabetes.
Eigene Voraussetzungen kennen
Gegen die Kollision mit einem der Eisberge kann man bei dem einen mehr, bei dem anderen jedoch leider weniger tun. So haben Wissenschaft, Medizin und Pharma recht gute Wege gefunden, Herzkrankheiten präventiv zu behandeln, während die Situation bei Alzheimer immer noch sehr schlecht aussieht. In jedem Fall hilft es, sich mit dem Thema zu beschäftigen und die eigenen Voraussetzungen zu kennen. Dazu zählen – um nur einige wenige zu nennen – Biomarker im Blut (Glucose- oder PSA-Werte) und Merkmale in der DNA (Alzheimer), um seine individuellen Risikofaktoren zu evaluieren. Nur zu schauen, welche Krankheitsfälle in der Familie vorkommen, reicht heute als Einschätzung nicht mehr aus. So zitiert David Sinclair – ein anderer Influencer in dem Bereich und dekorierter Wissenschaftler – in seinem Buch „Lifespan“ eine Studie, die bei eineiigen Zwillingen herausgefunden hat, dass das Erbgut beim Thema Langlebigkeit nur eine 10- bis 15-prozentige Rolle spielt. Das hätte ich persönlich viel höher eingeschätzt. Es muss also andere Stellschrauben geben.
Zurzeit fließt viel Geld in die Lenglebigkeitsforschung. Dabei betrachtet man verschiedene Enden, die auf uns manchmal profan, manchmal skuril wirken. Nicht nur, welches Obst wir am besten in unserem Frühstücksmüsli haben sollten, um eine optimale Vitaminzusammensetzung für den Tag zu haben, sondern auch, welche Viren wir uns spritzen lassen müssten, sodass unsere gealterten Zellen wieder jung werden, was ein potenziell ewiges Leben möglich machen könnte* (Lifespan, Sinclair).
Healthspan vs. Lifespan
Auf dem Biohacker Summit in Helsinki habe ich vor einigen Wochen einen kurzweiligen Vortrag von Dr. Olli Sovijärvi gehört, der seine Top-10-Longevity-Habits beschrieben hat. Eine kurze Zusammenfassung:
A) Schlaf optimieren und den zirkadianen Rhythmus beachten
Sieben bis acht Stunden qualitativ hochwertiger Schlaf pro Nacht sind der Beginn jeder Longevity-Diskussion. Andere tägliche Aktivitäten sollten auf die natürlichen zirkadianen Rhythmen abgestimmt werden, um die kognitive Funktion zu verbessern, Entzündungen zu reduzieren und metabolische Prozesse zu unterstützen.
B) Tägliche körperliche Aktivität und Zeit in der Natur
Tägliche Bewegung soll es sein. Dabei sollte man sein VO2 Max im Auge behalten und kräftigende Übungen machen. Zudem ist Zeit in der Natur ein guter Booster, um die Herz-Kreislauf-Gesundheit zu verbessern, die Stimmung zu heben und das Immunsystem zu stärken.
C) Personalisierte Ernährung und gezielte Ergänzung
Die mediterrane Ernährung gilt als Goldstandard, wenn möglich in einem 8-Stunden-Esszeitraum und 16-Stunden-Fastenzeitraum. Diese wird mit personalisierten Nahrungsergänzungsmitteln unterstützt.
D) Meditation, Wärmeanpassung und gemäßigte Sonnenlichtexposition
Meditation, Sauna und regelmäßige Sonnenlichtexposition (morgens einige Minuten direkt ins Gesicht mit geschlossenen Augen und später maximal 20 Minuten ungeschützt) bauen Stress ab, fördern mentale Gesundheit und unterstützen die Zellreparatur.
Bitte beachten, dass dies keine generellen medizinischen Hinweise sind und man für personalisierte Empfehlungen am besten mit der eigenen Ärztin, dem eigenen Arzt sprechen sollte.