Hamburg zählt zu den Touristenmagneten Deutschlands, hat jede Menge Kultur und spektakuläre Events zu bieten. Elbe, Alster und viel Grün laden zu Ausflügen ein. Alles gut also? Nein. Denn wie in allen Metropolen gibt es auch in der Hansestadt Menschen, die am Rande der Gesellschaft und ohne eigene Wohnung (über-)leben müssen.. Neuesten offiziellen Erhebungen zufolge leben in der Hansestadt fast 4.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. Seit 2018 hat sich ihre Zahl fast verdoppelt. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.
Körperhygiene schafft Anerkennung und Respekt
Wir treffen Sebastian Krüger, Geschäftsführer von GoBanyo, in seinem Büro im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Hier laufen die organisatorischen und administrativen Fäden der Organisation zusammen. Wir fragen ihn, wie alles begann: „Die Idee, einen Duschbus auf die Straße zu schicken, kam unserem Mitgründer und heutigen Botschafter Dominik Bloh. Er hatte selbst eine Zeit lang auf der Straße gelebt. Gemeinsam mit Freunden entwickelte er das Konzept.“
Die ersten Schritte realisierten sie mit geliehenem Geld. Die Motivation: „Wir alle suchen nach Respekt, der unmittelbar damit zusammenhängt, wie wir wahrgenommen werden und wie wir uns selbst wahrnehmen. Das eigene Hygienebedürfnis ist dabei elementar. Aber öffentliche Duschen sind rar, kosten Geld und sind oft nicht einfach zu erreichen“, konstatiert Sebastian Krüger.
Mittels Crowdfunding kamen innerhalb von sechs Wochen 168.000 Euro zusammen. Der Umbau eines von der Hamburger Hochbahn geschenkten, gebrauchten Linienbusses konnte im Mai 2019 beginnen. Im darauffolgenden Dezember ging er für zunächst drei Tage pro Woche in Betrieb. Während der Corona-Pandemie - als alle verfügbaren öffentlichen Sanitäranlagen der Stadt geschlossen wurden - weitete GoBanyo den Betrieb aus. Die Unterstützung von Spendern und Kooperationspartnern war und ist immer noch groß, aber immer wieder sind Kreativität, Beharrlichkeit und Geduld notwendig, um alle Herausforderungen meistern zu können.
Bunt und laut für mehr Aufmerksamkeit
Der Bus, wie er heute auf der Straße steht, macht Eindruck. Sebastian Krüger: „Wir wollen bunt und laut sein, um aufzufallen und die Themen von der Straße auf die gesellschaftspolitische Agenda zu bringen. Schon heute kommen nicht nur die Menschen ohne Wohnsitz zu uns, sondern beispielsweise auch Paketboten, die in ihrem Fahrzeug leben und schlafen, da sie sich keine eigene Wohnung leisten können. Oder auch Menschen, die zwar ein Dach über dem Kopf haben, aber sogar beim Wasser sparen müssen.“
Der Duschbus ist an fünf Tagen pro Woche an drei unterschiedlichen Standorten in Hamburg unterwegs. Meistens warten schon vor der Ankunft des Busses die ersten Gäste, um sich in die Warteliste eintragen zu können. Jeder Duschgang ist mit rund 20 Minuten angesetzt. „Der Bus hat drei voll ausgestattete Badezimmer. In jedem Badezimmer befindet sich jeweils eine Dusche, eine Toilette, ein Waschbecken und ein wasserdichter Schrank mit einer Steckdose. Auch Rollstuhlfahrer ist gesorgt. Ein Badezimmer bietet ausreichend Platz, hat ein höhenverstellbares Waschbecken und ist über eine Rampe erreichbar. Außen am Bus befindet sich eine Markise mit Front- und Seitenwänden, die für Privatsphäre bei der Produktausgabe vor der Dusche und bei Haarschnitten nach der Dusche sorgt. Jeder Gast erhält frische Wäsche und, wenn möglich, auch neue Oberbekleidung“, beschreibt Sebastian Krüger die Ausstattung.
30.000 Duschgänge bis März 2025
Die Qualität des Konzepts führte schon schnell zu ersten Erfolgen, auch wenn einige Ideen und Kooperationen – häufig aufgrund fehlender finanzieller Mittel – wieder aufgegeben werden mussten. Sebastian Krüger: „Schon knapp zwei Jahre nach dem Start, im August 2021, konnten wir 10.000 Duschgänge, Wäsche- und Pflegeausgaben und mindestens doppelt so viele Kaffeeausgaben verzeichnen. Mit Stand März 2025 haben wir insgesamt mehr als 30.000 Duschgänge ermöglicht. Und auch über die aktive Unterstützung der Menschen freuen wir uns. Aktuell besteht unser Team aus 11 hauptamtlichen Mitarbeitenden – darunter zwei Bundesfreiwilligendienstleistende – und etwa 70 ehrenamtlichen Personen, die regelmäßig im Einsatz sind.“
Zum fünfjährigen Jubiläum im Dezember vergangenen Jahres schenkte die Hamburger Hochbahn einen zweiten Bus. „Ihn umzubauen, stellt uns vor neue Herausforderungen. Wir rechnen mit etwa doppelt so hohen Kosten wie bei unserem ersten Bus, also rund 300.000 Euro“, sagt Sebastian Krüger. Da GoBanyo ausschließlich durch Spenden finanziert ist, hofft er auf eine weiterhin hohe Bereitschaft, das wichtige Projekt finanziell zu unterstützen. Gefragt nach seinem größten Wunsch, antwortet er: „Es wäre schön, wenn wir eines Tages nicht mehr gebraucht würden – Stichwort `Housing first`. Wir hoffen, dass unsere Projekte dazu beitragen können.“
Text: Bärbel Naberbäumer
Fotos: Julia Schwendner