Welches konkrete Problem löst ihr und wie?
Ziel ist es, der Atmosphäre, also der Umgebungsluft, CO2 zu entziehen und es durch direkte Luftabscheidung „herauszufiltern“. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist in der Regel eine Art von Zyklus. Zunächst lässt man Luft durch das System strömen, wodurch die Luft mit einer Chemikalie in Kontakt kommt, die entweder flüssig oder – wie in unserem Fall – fest sein kann. Und diese Chemikalie muss eine sehr hohe Affinität zu CO2 haben, so dass sie gewissermaßen an der Oberfläche gefangen wird.
Der Grund, warum dies sehr kostspielig ist, liegt auch darin, dass die Luft, die wir einatmen, nur etwa 0,04 Prozent CO2 enthält. Wenn man also Milliarden von Tonnen entfernen will, wie wir es tun wollen, muss man enorme Mengen an Luft verarbeiten und durch das System blasen. Dazu benötigt man sehr große Ventilatoren, deren Bau und Betrieb sowohl zeitintensiv als auch kostspielig ist.
Nachdem man die gesamte Luft durch das System geblasen hat, bleibt eine mit CO2 beladene Chemikalie zurück, die gefiltert werden muss. Dies erfordert viel Energie und in den meisten Fällen wird Wärme eingesetzt, mit der die Bindungen zwischen der Chemikalie und dem gerade entstandenen CO2 aufgebrochen werden. Das Ergebnis ist reines CO2, das man nun entweder dauerhaft lagern oder wiederverwenden kann und die Chemikalie, die wieder für den nächsten Zyklus einsatzbereit ist.
„Wir müssen unsere Stimme jetzt einsetzen“
Was können deiner Meinung nach Einzelpersonen und Gemeinschaften tun, um den Planeten zu retten? Und welche zukünftigen Herausforderungen müssen wir jetzt angehen, wenn wir im Bereich der Klimakrise arbeiten?
Es gibt eine Menge Dinge, die jede/r einzelne in Leben tun kann. Energiesparen im privaten Raum ist wichtig, aber im Vergleich zu dem, was man mit Technologie tun kann, hat es leider nur geringe Auswirkungen.
Im Wesentlichen geht es um die vier Dinge, die man als Privatperson tun kann: 1) Aufhören, Fleisch zu essen, was immer häufiger vorkommt, vor allem in den größeren Städten. 2) Nicht fliegen. Ich glaube, das weiß jeder, aber wir sind leider noch weit von einer guten Alternative entfernt. Ich fliege daher selbst auch noch. Wenn auch nur sehr dosiert. Wichtig ist, dass man nicht predigt, dass jeder zu perfekt sein muss, sondern dass wir den richtigen Weg im Hinterkopf behalten und das machen, was wir können. 3) Kein Auto mit Verbrennungsmotor besitzen und 4) (sehr umstritten), keine Kinder bekommen. Zu letzterem habe ich keine Meinung.
Und man kann seine Stimme einsetzen. Vor allem in Situationen, in denen Unternehmen oder Politiker zuhören. Ich denke, das ist der Punkt, an dem wir alle am großen Rad drehen können. Und das ist es, was wir tun müssen, und wir müssen es jetzt tun.
Ein Unternehmen mit Purpose
Jeder spricht über die „GreatResignation“ und wie schwierig es ist, Leute zu finden. Hat ein Purpose-orientiertes Start-up wie NeoCarbon auch mit diesem Problem zu kämpfen?
In Berlin ist es im Moment schwierig, gutes Personal zu finden, weil es den vielzitierten „War for Talent“ tatsächlich gibt. Für uns hat sich das aber nicht so angefühlt. Wir suchen Chemieingenieure oder Maschinenbauingenieure. Diese Positionen sind in Start-ups derzeit nicht so umkämpft.
Leute klopfen auch an unsere Tür und sagen: „Hey, ich möchte für euch arbeiten“. Das sind zum Beispiel MBA-Studenten oder Leute, die ihren alten Job satt haben und für ein Unternehmen arbeiten wollen, das einen Purpose hat. Daher würde ich sagen, dass es für uns im Vergleich zu anderen Unternehmen einfacher ist, aber es ist auch nicht so, dass wir jede Stelle innerhalb einer Woche besetzen können.
In unserem Unternehmen dreht sich alles um Vertrauen und Transparenz – das ist wohl mein nordisch-finnischer Einfluss. Wir versuchen ein Unternehmen aufzubauen, in dem Menschen zur Arbeit kommen, weil sie für etwas stehen. Wir versuchen, die Leute so arbeiten zu lassen, wie sie es wollen. Es gibt keine offiziellen Arbeitszeiten, solange wir uns alle an die Meetingzeiten und die gegenseitigen Verpflichtungen halten. Wenn jemand abends oder nachts arbeiten mag... nur zu, wer sind wir, dass wir vorschreiben können, wie unsere Leute etwas zu tun haben?
Vom Prototypen zum ersten Produkt
Was ist euer wichtigster Meilenstein im Jahr 2023?
Wir befinden uns in einem Wettlauf mit der Zeit, sowohl mit der Klimakrise als auch in unserem Unternehmen. Für uns wird 2023 das Jahr unseres ersten Produkts sein. Im Moment sind wir dabei, unsere ersten Prototypen fertigzustellen – in sehr kleinem Maßstab in einer kontrollierten Umgebung. Unsere Maschinen sollten fertig sein, und wir planen, Anfang Oktober die ersten Testergebnisse zu haben. Damit werden wir etwa drei Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden können, was ein recht kleiner Maßstab ist.
Der wichtigste Meilenstein ist, dass wir die Anlage aus dem Labor herausnehmen und in größerem Maßstab einsetzen. 100+ Tonnen CO2 pro Jahr an einem echten Kundenstandort, das heißt an einem echten Kühlturm, wären unser anspruchsvolles Ziel.
Und wie bei vielen anderen Start-ups steht auch eine Finanzierungsrunde im nächsten Jahr an, um die Skalierung zu ermöglichen.