Digitalisierung & Technologie, 16. Juli 2025

Der hybride Kunde: Relevanz statt Reizüberflutung

Eine Kolumne von ERGO CDO Mark Klein

ERGO CDO M

Der hybride Kunde ist nicht nur eine Antwort auf die Digitalisierung – er ist ihr Treiber. Denn er fordert Unternehmen heraus, traditionelle Geschäftsmodelle zu überdenken und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Erwartet wird eine exzellente Customer Experience, die weit über den herkömmlichen Service hinausgeht. Das verlangt neue Standards in puncto Omnikanal-Strategie und den Einsatz neuer Technologien, schreibt ERGO CDO Mark Klein. 

Was war das jüngste tolle Kundenerlebnis, das Sie hatten? Die reibungslose Bestellung eines Produkts über eine App? Die persönliche Beratung in einem Geschäft? Oder ein hilfsbereiter Kundendienstmitarbeiter, der Ihr Anliegen schnell und unkompliziert per Telefon gelöst hat?

Wir alle haben uns durch die Digitalisierung an nahtlose Einkaufs- und Service-Erlebnisse gewöhnt. Wir setzen heute die Einfachheit voraus, die wir von Netflix, Spotify oder Amazon in der Customer Journey kennen. Von der ersten Produktsuche bis hin zur Dienstleistung – alles darf nur wenige Klicks entfernt sein. Interagieren wollen wir mit den Anbietern dabei auf die Art und Weise, die für uns situativ am besten passt. Das kann per E-Mail, Messenger, Telefon oder im Laden vor Ort sein. Kurzum: Wir möchten maximale Flexibilität. Das macht uns alle zum „hybriden Kunden“. 

Unternehmen müssen die hohen Kundenerwartungen nicht nur erfüllen – sie müssen sie übertreffen. Das setzt den konsequenten Einsatz neuer Technologien und eine umfangreiche Omnikanal-Strategie voraus.

Mark Klein, CDO ERGO Group

Der hybride Kunde ist der moderne und selbstbestimmte Kunde. Sie oder er wechselt übergangslos zwischen verschiedenen Vertriebs- und Kommunikationskanälen, um die relevanten Informationen und Services jederzeit und überall zu erhalten. Von der Interaktion mit Unternehmen wird erwartet, dass sie individualisiert und konsistent ist. Es muss ein vernetztes und qualitativ gleichbleibendes Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg geben. Produktinformationen und Angebote sollen zügig, idealerweise „in Echtzeit“ verfügbar sein – und zwar einheitlich, egal ob analog oder digital. Denn in einer vernetzten Welt erwarten Kundinnen und Kunden, dass alle Kanäle miteinander harmonisiert sind. Und mobil funktionieren, denn digital ist heute praktisch gleichbedeutend mit „Mobile First“.

Dieses geänderte Kauf- und Kommunikationsverhalten der Kundinnen und Kunden macht sie zu einem wesentlichen Treiber der digitalen Transformation, auch bei Versicherern. In einer Welt, in der Markt und Produkte immer transparenter werden und Mitbewerber nur noch einen Klick entfernt sind, kommt es auf jedes Detail an, um im „Relevant Set“ zu bleiben. Unternehmen müssen die hohen Kundenerwartungen deshalb nicht nur erfüllen – sie müssen sie übertreffen. Das setzt den konsequenten Einsatz neuer Technologien und eine umfangreiche Omnikanal-Strategie voraus.

Zahl der Online-Abschlüsse steigt

Dafür müssen Versicherer zunächst einmal verstehen, welche Kanalpräferenzen ihre Kunden haben und wie diese dort interagieren. So erkundigen sich die meisten Interessierten neben den Gesprächen mit Familie, Freunden oder Arbeitskollegen erst einmal online über Versicherungen: auf den Webseiten der Anbieter, Vergleichsportalen oder Social-Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok. Bei langlaufenden oder beratungsintensiven Produkten kommt nach dieser ersten Phase klassischerweise die persönliche Beratung durch Vermittler oder Makler hinzu. Auch der Abschluss erfolgt derzeit noch meist über traditionelle Vertriebswege – wenngleich die Zahl der Online-Abschlüsse steigt. So wurden nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2023 19,1 Prozent aller Versicherungen im Privatkundengeschäft digital abgeschlossen, 2022 lag der Anteil bei 16,7 Prozent, 2021 waren es 15,3 Prozent. Die führenden Kategorien für Online-Abschlüsse waren Kfz-, Sach-/Unfall-Haftpflicht- und Krankenzusatz- beziehungsweise Auslandskrankenversicherungen.

Neben der Transparenz über die Fokuskanäle und deren systematischem Aufbau braucht es für eine erfolgreiche Omnikanal-Strategie eine einheitliche und vor allem skalierbare technische Infrastruktur. Sie ermöglicht es Unternehmen, Komplexität zu reduzieren, Synergien zu nutzen und ressourceneffizient zu agieren. Etwa mit einem Customer-Relationship-Management-System (CRM), in dem alle Kundeninformationen zentral erfasst und sicher verwaltet werden, um eine konsistente Kommunikation und personalisierte Angebote sicherzustellen. Oder, um Kundinnen und Kunden ein benutzerfreundliches und intuitiv zu bedienendes Self-Service-Portal anzubieten. Ein Portal, das idealerweise nicht nur ein Informationskanal ist, sondern ein Interaktionskanal. Auch für Themen wie Webseiten, Leadmanagement, die reibungslose Zusammenarbeit von Direkt- und Agenturvertrieb oder sämtliche marketing- und vertriebsrelevanten Automatisierungs- und Analyseanwendungen ist eine flexible Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Auch, um überhaupt ein wettbewerbsfähiges und einheitliches Produktportfolio über alle Kanäle hinweg anbieten zu können. Die Produkte müssen dabei einfach zu buchen und leicht verständlich sein. Sie müssen sich über Schnittstellen (APIs) anbinden lassen und kurze Abschlussstrecken mit modernen Bezahlmethoden kombinieren. Dies ist insbesondere bei modularen Produkten wichtig, die verschiedene, individuelle Kombinationen an Leistungsbausteinen ermöglichen sollen.

Das richtige Angebot zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Der hybride Kunde verlangt, dass all diese Prozesse während seiner Customer Journey reibungslos im Hintergrund laufen. Und er verlangt Relevanz statt Reizüberflutung. Also das richtige Angebot zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Darauf müssen alle Angebotsstrecken konsequent ausgerichtet sein.

Als ERGO haben wir den hybriden Kunden bereits 2016 als unser Geschäftsmodell auf dem heimischen Markt eingeführt. Es ist ein zentraler Eckpfeiler unsere Digitalisierungsstrategie und hat seine Qualität bereits bewiesen. Zum Beispiel, als ERGO auch während der Corona-Pandemie ihre Kundinnen und Kunden weiterhin vollumfänglich beraten und betreuen konnte, weil Marken zusammengeführt, Produkte und Preise vereinheitlicht und die Systeme im Hintergrund harmonisiert waren. Zudem befähigt ERGO die Vertriebspartnerinnen und -partner selbst, sich die Potenziale des Omnikanal-Ansatzes zu erschließen. Etwa mit einer Vielzahl an digitalen Angeboten und Lösungen wie individuellen Webauftritten und digitalen Tools für den Kundendialog, Social-Media-Baukästen oder der bequemen Online-Terminbuchung. Hinzu kommen digitale Antragsprozesse, innovative Apps und Vertragsunterschriften als elektronische Signatur per QR-Code. Und ERGO stellt die eigenen Customer Journeys regelmäßig auf den Prüfstand. Zum Beispiel, indem in der schon 2018 gegründeten ERGO Digital Factory Prototypen entwickelt werden, die dem direktem Kunden-Feedback ausgesetzt werden. Nur so lassen sich Produkte, Prozesse und Services immer weiter optimieren – und neue Entwicklungschancen erkennen.

Um den Erwartungen des hybriden Kunden gerecht zu werden, müssen Versicherer drei Kernpunkte beachten und konsequent verfolgen: Kanäle, Kapazitäten und Konsistenz. Es müssen die richtigen Werbe- und Kontaktkanäle identifiziert und bespielt werden. Es braucht die notwendigen technischen Kapazitäten, um die gesamte Klaviatur an digitalen Tools und Anwendungen nutzen zu können. Und es braucht Konsistenz in der Kommunikation und im Angebot. Wer das berücksichtigt, schafft eine zukunftsweisende Customer Experience, die weit über den herkömmlichen Service hinausgeht. Und bleibt im „Relevant Set“ des hybriden Kunden. 

Text: Mark Klein, CDO ERGO Group

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst beim Versicherungsmonitor erschienen.


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Autor: Mark Klein, CDO ERGO Group

Mark Klein ist seit 2016 der Chief Digital Officer von ERGO. Zuvor war er bei T-Mobile Netherlands. Seine Hauptaufgabe bei ERGO ist die digitale Transformation des traditionellen Geschäfts im In- und Ausland. Zudem etabliert er neue, digitale Geschäftsmodelle.

Mark Klein – Chief Digital Officer – ERGO Group

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