Welche Technologie beerbt Lithium-Ionen-Akkus?
Die Entwicklung neuer Batterien läuft seit Jahren auf Hochtouren, doch neue lithiumfreie Batterien für den mobilen Einsatz werden noch einige Zeit brauchen, bis sie marktreif sind. Deshalb arbeiten Forscherinnen und Forscher auch daran, die Herstellung der etablierten Lithium-Ionen-Akkus zu optimieren. Denn obwohl diese Batterien bereits seit 1991 kommerziell eingesetzt werden, gibt es bei ihrer Herstellung noch viel Optimierungspotenzial.
Am Lehrstuhl „Production Engineering of E-Mobility Components“ der RWTH Aachen haben Forscherinnen und Forscher rund 2.100 Ursache-Wirkungs-Beziehungen identifiziert, die bei der Herstellung von Lithium-Batterien die Zellqualität mindern können. Bereits kleine Abweichungen bei der Elektrodenherstellung, dem Zellaufbau und der Zell-Finalisierung können massive Auswirkungen haben und zu Ausschussraten von über 10 Prozent führen.
Mit Hilfe von KI-Datenanalysen soll die Fehlerquote in Zukunft deutlich reduziert werden. Spezialisierte KI-Anwendungen führen dazu automatisierte Fehlerursachenanalysen durch, um die Ursachen von Qualitätsabweichungen zu identifizieren. Darüber hinaus überwachen KI-Anwendungen den Zustand der Maschinen in der Produktionslinie. So können Probleme frühzeitig erkannt und durch eine intelligente, proaktive Wartungsplanung vermieden werden. Insgesamt versprechen diese KI-Ansätze deutliche Effizienzsteigerungen, Qualitätsverbesserungen und Kosteneinsparungen, die kurzfristig realisiert werden können.
Am Pacific Northwest National Laboratory (PNNL), einer Forschungseinrichtung des US-Energieministeriums, sorgte kürzlich ein Projekt aus der Batterieforschung für Aufsehen. Gemeinsam mit dem Softwarekonzern Microsoft suchten die Forschenden mit Hilfe von KI nach geeigneten Materialien für neue Akkus, die mit deutlich weniger Lithium auskommen, ohne die Vorteile des ultraleichten Metalls zu verlieren. Insgesamt wurden 32 Millionen potenzielle Materialien analysiert.
Die enormen Fähigkeiten der KI zeigten sich nicht nur in der zu verarbeitenden Datenmenge, sondern auch in der Geschwindigkeit: Nach nur 80 Stunden waren 18 Materialien identifiziert, mit denen nun weiter geforscht werden kann. Normalerweise dauert dieser Prozess in der Forschung mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte. Am PNNL wurde dagegen bereits ein erster Prototyp entwickelt, der mit 70 Prozent weniger Lithium auskommt.
Ein weiterer Ansatzpunkt für den sinnvollen Einsatz von KI in der Batterie-Entwicklung ist die Nutzungsanalyse zur Verbesserung der Lebensdauer. Prof. Ralf Herbrich forscht dazu am Hasso-Plattner-Institut (HPI) im Bereich „KI und Nachhaltigkeit“ in Kooperation mit einem Berliner Start-up. Gemeinsam entwickeln sie Algorithmen, die verschiedene Verschleißfaktoren in Batterien erfassen und daraus Rückschlüsse für eine optimale Nutzung ziehen können. Bei Batterien in Elektroautos sind das zum Beispiel der Fahrstil, die Charakteristik der Ladevorgänge oder die Temperaturfenster beim Laden.
Ziel dieser Arbeit ist es, Alterungsprozesse physikalisch zu verstehen, ohne die Batterie öffnen zu müssen. Das Start-up „betteries“ will die Erkenntnisse anschließend nutzen, um ausgedienten Batterien nach dem Ausbau aus dem Elektroauto ein zweites Leben zu ermöglichen. Das würde auch die CO2-Bilanz der Akkus verbessern, denn derzeit sind rund 500 Ladezyklen mit erneuerbarer Energie nötig, um so viel CO2 einzusparen, wie zuvor bei der Produktion freigesetzt wurde. Eine längere Lebensdauer wäre also wünschenswert. Das Forschungsprojekt ist jedenfalls optimistisch, die Zahl der Ladezyklen mit KI-Unterstützung mindestens verdoppeln, verdreifachen oder sogar verzehnfachen zu können.