Viele Unternehmen überlegen aktuell, ob sie in Metaverse-Technologie investieren sollen. Wo liegt Ihrer Meinung nach der konkrete Mehrwert, wenn man nach wie vor einen menschlichen Versicherungsberater braucht, der die Beratung durchführt? Könnte man das nicht auch per Telefon machen?
Rein technisch bräuchte man keinen menschlichen Berater. Das könnte auch ein Bot übernehmen. Wir sind aber überzeugt, dass die menschliche Beratungsleistung einfach eine ganz andere ist. Interessant war für uns vielmehr der immersive Charakter des Metaverse. Denn Versicherungsprodukte sind oft nicht sehr intuitiv oder leicht verständlich. Deshalb haben wir überlegt, wie man diese Kundenerfahrung verbessern kann. Eine Idee war, Versicherungsprodukte erlebbar und interaktiv greifbar zu machen. Wie bei unserer VR-Beratung zur Reiseversicherung: In einem kleinen virtuellen Koffer sieht der Kunde beispielsweise die kompletten Bestandteile der Reiseversicherung, etwa exemplarisch ein Krankenhausbett, Medikamente oder den Rettungshelikopter. Damit kann ein Berater sehr anschaulich die Leistungen erklären. Von unseren Beratern haben wir die Rückmeldung erhalten, dass Kunden immer wieder danach fragen, wie sie sich eine Leistung genau vorstellen können. Da können interaktive 3D-Elemente natürlich eine tolle Unterstützung sein.
Das klingt nach einer positiven Reaktion der Berater auf die Einführung der VR-Beratung.
Viele unserer Berater sind sehr technologie- und innovationsoffen. Daher haben wir bei der Einführung zunächst nach Beratern gesucht, die Lust hatten, per VR zu beraten. Wir mussten aber nicht lange suchen. Unsere Berater haben uns gespiegelt, dass sie sich nun vielmehr als Storyteller sehen, indem sie Kunden in einer konkreten Umgebung abholen und wie ein Ortskundiger in dieser jeweiligen Urlaubsumgebung agieren – in Echtzeit und mit anderen Personen, Tieren, Natur und Klang drum herum. Das ist etwas komplett Anderes als etwa mit einer Broschüre zu arbeiten.
Inwiefern spiegelt sich das in Absatzzahlen oder in der Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsabschlusses wieder? Sind Kunden nach einem VR-Gespräch eher bereit eine Reiseversicherung abzuschließen als nach einer analogen Beratung?
Vertragszahlen kommunizieren wir nicht. Wir führen allerdings regelmäßige NPS-Umfragen durch und die Weiterempfehlungsraten der VR-Beratung sind aktuell sehr positiv.
Bei der ERGO beschäftigt man sich inzwischen auch mit den Risiken in virtuellen, immersiven Kontexten. Das klingt ziemlich abstrakt. Was können das für Risiken sein und welche Form der Absicherung braucht es dann auch dafür?
Im Prinzip sind die Risiken sehr ähnlich zur analogen Welt oder den bereits bekannten im Internet wie Cyberattacken, Cybersecurity, Identitätsdiebstähle oder Datenschutz. Neu ist, dass Kunden im Metaverse auch virtuelle Güter besitzen können. Das können etwa NFTs sein oder aber auch Grundstücke in virtuellen Welten, die Kunden erwerben. Virtuelle Güter müssen genau wie analoge abgesichert werden. Das gilt auch für virtuelle Währungen. Das sind alles Themen, mit denen sich sowohl Versicherer als auch die Kunden tatsächlich jetzt beschäftigen sollten.
Als eine zentrale Barriere für die Entwicklung des Metaversums wird oft die schleppende Verbreitung von VR-Brillen genannt. Wie geht man bei der ERGO damit um?
Uns war bewusst, dass wir in einen Markt eintreten, der noch nicht ganz ausgereift oder massentauglich ist. Unser Ziel ist es aber, als einer der ersten Versicherer im Metaversum schon mal die ersten Schritte zu wagen, Learnings zu sammeln und früh mit dabei zu sein. Wenn man zu spät bei solchen Technologien einsteigt, ist es unglaublich schwierig, den Rückstand auf andere Unternehmen aufzuholen, die sich schon früh damit auseinandergesetzt haben. Abgesehen davon beobachten wir gerade jetzt am Markt vielversprechende Veränderungen. Allein 2023 ist meines Wissens nach mit bis zu 12 neuen VR-Brillen von unterschiedlichen Herstellern auf dem Markt zu rechnen. Und auch die Ankündigung der Apple Vision Pro-Brille für 2024 ist in den Medien wirklich vielfach beachtet worden. Alles spricht derzeit dafür, dass der Markt wächst. Mit einem weiteren Software- und Hardwarefortschritt wird es weitere Technologiesprünge geben. Wir sind dann gut aufgestellt.
Planen Sie Virtual Reality Brillen auch in Ihren Niederlassungen zu installieren? So könnten Konsumenten Versicherungsprodukte dort in immersiven Realitäten anschauen.
Konkret geplant ist das aktuell nicht. Wir hatten aber schon Aktionen, bei denen wir etwa zum Launch unserer VR-App am Flughafen Düsseldorf einen Stand aufgebaut haben, an dem Nutzer, die keine VR-Brille besitzen, das Angebot testen konnten. Das kam sehr gut an.