Die Zukunft der Altersvorsorge: Berlin ist in der Pflicht


Michael Fauser mahnt entschlosseneres Vorgehen und mehr Tempo bei Reform der Altersvorsorge an

Magazin, 28.01.2021

Die Altersvorsorge ist ein hoch politisches Thema, das viele Menschen bewegt. Das merkt man vor allem in Jahren einer Wahl.  Aktuell liegen viele Konzepte und Reformideen auf dem Tisch, um die Altersvorsorge fit für die Zukunft zu machen. Ihre Umsetzung: fraglich. Michael Fauser, Vorsitzender des Vorstands ERGO Vorsorge Lebensversicherung, erläutert die wichtigsten Baustellen und nennt seine Reformpräferenzen.

Michael Fauser, Vorsitzender des Vorstands ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG 

Michael Fauser, Vorsitzender des Vorstands ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG

Herr Fauser, wir befinden uns nicht einmal neun Monate vor der nächsten Bundestagswahl und bereits jetzt zeichnet sich ab, dass einige der angemahnten Reformen in der Altersvorsorge wohl nicht mehr umgesetzt werden können, etwa die Reform von Riester. Welche Reformchancen sehen Sie noch und welche Baustelle müsste aus Ihrer Sicht am ehesten in Angriff genommen werden?

Am drängendsten ist sicherlich die Reform der Riester-Rente. Sollte es stimmen, was man aktuell aus Berlin hört, und die Reform auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben wurde, wäre das ein herber Rückschlag für alle Versicherten. Das Thema ist wichtig, denn es betrifft viele Menschen in Deutschland. Daher wünsche ich mir ein entschlosseneres Vorgehen und mehr Tempo bei der Umsetzung einer Riester-Reform. Auch eine Versicherungspflicht für Selbstständige muss zeitnah auf den Weg gebracht werden. Natürlich sollen Selbstständige in der aktuellen Situation nicht zusätzlich belastet werden. Daher plädiere ich für einen Reformbeschluss noch in dieser Legislaturperiode, aber mit einer längeren Übergangsfrist. Auf lange Sicht bedarf es aus meiner Sicht außerdem einer generellen Vereinfachung der Informationspflichten. Die Versicherten können mit einem Großteil der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen nicht viel anfangen. Das führt am Ziel verständlicher Versicherungsprodukte vorbei.   

Bleiben wir zunächst bei Riester. Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, um das Produkt zukünftig wieder attraktiv für die Versicherten zu machen?

Riester ist ein im Kern gutes Produkt für die zusätzliche Altersvorsorge. Es geht darum, auch denjenigen, die es sich bislang nicht leisten konnten, in Zukunft eine gute Altersvorsorge zu bieten. Dafür muss die Riester-Rente zunächst einfacher gestaltet werden, das heißt konkret, dass die Prüfung, ob eine Person zulagenberechtigt ist, zu Beginn erfolgen muss. Aktuell ist es noch so, kurz gesagt, dass erst gezahlt und dann geprüft wird. Dies führt dazu, dass bereits ausgezahlte Zulagen zurückverlangt werden können, was wiederum auf Seiten von Kunden, Behörden und Versicherern zu vermeidbarem Aufwand führt. Eine Umkehr der Praxis würde hier zu erheblichen Erleichterungen und Kosteneinsparungen führen, die letztendlich den Kunden zu Gute kämen. 

Wie steht es um das Garantienieveau bei Riester? Ist die Pflicht zu einer einhundertprozentigen Garantie der eingezahlten Beiträge im aktuellen Zinstief noch zielführend? 

Aus meiner Sicht ein klares Nein. Durch die aktuelle Regelung schließen wir Menschen mit ihrer Altersvorsorge aktiv von den Chancen am Kapitalmarkt aus, denn um die einhundertprozentige Beitragsgarantie zu finanzieren, müssen wir stark in konservative Kapitalanlagen investieren und der Kunde hat weniger Chancen auf Rendite. Das Garantieniveau muss daher reduziert und flexibilisiert werden. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass sich an dem aktuellen Zinsniveau kurz- oder mittelfristig etwas ändern wird. Anderenfalls werden die Möglichkeiten für langfristige Anlagen mit höheren Renditechancen für die Kunden stark beschränkt.

Sie haben es bereits selbst gesagt: Corona fordert in besonderem Maße die Selbständigen, gerade im Kultur- und Gastronomie-Bereich. Wie kann verhindert werden, dass diese Menschen durch den aktuellen Verdienstausfall langfristig Nachteile bei ihrer Altersvorsorge haben? 

Das ist ein ganz wichtiges Thema, was mir persönlich sehr wichtig ist. Denn Selbständige haben keine oder nur geringe Ansprüche auf gesetzliche Leistungen, das wird gerade im Angesicht des Lockdowns deutlich. Eine private Vorsorge ist für sie daher umso wichtiger, die aber immer noch zu viele scheuen. An einer Versicherungspflicht für Selbständige führt daher aus meiner Sicht kein Weg vorbei, um diese Gruppe vor drohender Altersarmut zu schützen. Denn zu oft stehen etwa Taxifahrer, Gastronomen oder Künstler zu Beginn des Rentenalters vor finanziellen Herausforderungen und können sich den Ruhestand schlicht nicht leisten. Eine Übergangszeit der Reform, wie ich sie bereits erwähnt hatte, um die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für viele Selbstständige auszugleichen, ist in der aktuellen Situation aber selbstverständlich.  

Bundesarbeitsminister Heil hatte Anfang Dezember im Bundestag angekündigt, sich dieses Themas anzunehmen. Das müsste Sie doch optimistisch stimmen...

Die Pläne von Arbeitsminister Heil begrüße ich natürlich zunächst einmal. Was letztendlich als Reform vorgelegt wird, muss sich jedoch erst noch zeigen. Zudem bleibt abzuwarten, ob die Zeit bis zur Wahl ausreicht, um koaltionsintern hier einen Kompromiss zu erreichen. Ich werde das Thema auf jeden Fall weiterhin aufmerksam verfolgen. Denn es bleibt wichtig, den Selbstständigen eine Perspektive für die Rente zu bieten und eine ausreichende Altersvorsorge am Ende ihres Berufslebens zu gewährleisten.

Sie sprachen bereits die Informationspflichten an. Was stört Sie daran? Die Informationen sollen den Kunden doch helfen, ihre Altersvorsorge zu verstehen und die Tarife besser zu vergleichen. 

Das ist in der Theorie auch richtig. Ich bezweifele aber, dass es in der Praxis so ist. Denn der Trend der vergangenen Jahre lässt sich wohl am besten mit der Formel „mehr ist mehr“ zusammenfassen, dabei ist das Gegenteil richtig. In vielen Fällen irritiert, ja verunsichert die Kunden die Informationsflut mehr als dass sie ihnen hilft. Daher sollten sich die angebotenen Informationsblätter auf das wirklich Wesentliche konzentrieren, um die Kunden aufzuklären und eine wirkliche Orientierung zu geben. Hier sind die Gesetzgeber in Deutschland und auf europäischer Ebene ebenso wie die Lebensversicherer selbst gefordert.   

Die Zeit bis zur Bundestagswahl ist kurz, die Liste der angemahnten Reformen bei der Altersvorsorge lang. Wenn Sie sich nun festlegen müssten; welches Reform-Vorhaben wird am ehesten noch vor der Wahl umgesetzt? 

Ich bin Realist und daher vorsichtig was hier Wünsche angeht. Ich würde es aber begrüßen, wenn schnell Einigkeit in so vielen Punkten wie möglich erreicht wird, um diese wichtigen Themen im Bundestagswahlkampf nicht zu zerreiben. Über das Ziel, nämlich eine sichere und auskömmliche Rente für jeden, dürfte bereits großer und parteiübergreifender Konsens bestehen. Das lässt mich vorsichtig optimistisch bleiben.  

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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