Nachgefragt: Start-ups im Interview

Chris Cardé von HeyCharge

Hallo Jan und Christian, warum glaubt ihr, dass der Verleih von Werkzeugen ein Modell für die Zukunft ist?

Jan Gerlach: Wir als Gesellschaft konsumieren bereits heute ganz anders als noch vor einigen Jahren: Autos, Fahrräder und E-Scooter mieten wir stundenweise. Wir kaufen keine DVDs oder CDs mehr, sondern streamen Filme und Musik online. Menschen wollen weiterhin Zugang zu Produkten, aber sie wollen sie nicht mehr unbedingt besitzen. Das gilt gerade dann, wenn sie nur selten gebraucht werden. Werkzeuge passen genau in diese Kategorie.

Baumärkte verleihen Werkzeuge schon seit Jahren – was ist bei toolbot anders?

Christian Lehmann: Wir wollen den Verleih von Werkzeug günstiger und praktischer machen. Baumärkte liegen oft am Stadtrand, und als Kunde muss man zweimal den Weg dorthin und wieder zurück machen, um etwas auszuleihen und wieder abzugeben. In der Schlange anstehen, Kaution hinterlegen, Öffnungszeiten – all das fällt bei unseren Verleihstationen weg. Sie können überall stehen, haben 24 Stunden am Tag geöffnet und sind sehr leicht mit dem Smartphone zu bedienen. Zudem ist unser Angebot günstiger, weil wir dank automatisierter Prozesse Personalkosten einsparen.

Wie kam es zu der Idee?

Jan Gerlach: Als ich 2013 mit meinem Industriedesign-Studium fertig war, habe ich in Berlin ein kleines Büro angemietet. Für die Renovierung brauchte ich eine Stichsäge, die ich in einem Baumarkt ausleihen wollte. Als ich dort ankam, musste ich 45 Minuten warten, nur um dann festzustellen, dass ich nicht genug Geld auf meinem Studentenkonto hatte, um die Kaution zu bezahlen. Währenddessen standen meine Freunde, die bei der Renovierung helfen wollten, vor meinem Ladenbüro und warteten auf mich. Ich habe dann – komplett gegen mein eigenes ökologisches Bewusstsein – einfach eine Billig-Stichsäge gekauft, die sogar noch günstiger war als die Leihgebühr. Diese Erfahrung hat mich nicht mehr losgelassen, und ich wollte eine bessere Lösung finden. Als Lehrbeauftragter an der FH Potsdam habe ich über die Jahre immer mal wieder mit Studierenden an der Idee getüftelt. Das Unternehmen gegründet haben wir mit dem jetzigen Team dann im Jahr 2018.

Nachhaltigkeit spielte also von Anfang an eine große Rolle für euch?

Jan Gerlach: Ja genau, Nachhaltigkeit war von Beginn an die Motivation hinter dem Projekt. Statt billige Werkzeuge zu kaufen und vielleicht sogar nach einmaligem Gebrauch wegzuwerfen, teilen sich bei toolbot ungefähr 100 Menschen ein hochwertiges Gerät. So sparen wir bis zu 99 Prozent Emissionen und Abfall. Das ließe sich perspektivisch auch auf andere Produkte ausweiten: Sport- oder Reinigungsgeräte zum Beispiel.

Derzeit stehen in Berlin drei Prototypen des toolbot. Welche Erkenntnisse konntet ihr bislang sammeln?

Christian Lehmann: Die Erfahrungen aus Berlin stimmen uns sehr optimistisch. Insgesamt haben wir schon mehr als 1.000 Mal ein Werkzeug verliehen, und erst einmal ist dabei etwas kaputt gegangen – eine super Bilanz, die zeigt, dass Menschen auch mit geliehenen Geräten sorgfältig umgehen. Eine weitere Erkenntnis hat mit den Akkus zu tun: Wir haben uns lange den Kopf darüber zerbrochen, wie wir sie in unseren Stationen aufladen können, damit jeder Kunde immer zwei vollgeladene Akkus im Werkzeugkoffer vorfindet. Durch Kundenfeedback haben wir jetzt gelernt: Das ist den Nutzern gar nicht so wichtig, wie wir dachten. Und die meisten geben das Gerät sowieso mit mindestens einem vollen Akku wieder zurück.

Was habt ihr euch als nächstes vorgenommen?

Christian Lehmann: Wir wollen mit dem toolbot in Serie gehen. Dazu arbeiten wir gerade am neuen Modell, das im März als erstes am Hauptbahnhof Cottbus aufgestellt wird. Ein Knackpunkt ist die automatische Vollständigkeitserkennung: Unsere Werkzeugkoffer sollen erkennen können, ob alle Einzelteile vorhanden sind. In der Feldtestphase konnten wir dieses Feature leider noch nicht mit integrieren. Überhaupt sollen die Koffer intelligenter werden und mit dem Nutzer über sein Smartphone interagieren können.

Jan Gerlach: Außerdem beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir unseren Kunden noch mehr Sicherheit und Inspiration im Umgang mit den Werkzeugen geben können – von Handbüchern über Video-Tutorials bis zu einer Community-Plattform. Denn unsere Nutzer sind ja eher keine Experten, sondern sind häufig ungeübt im Gebrauch von Werkzeugen. Dazu würden wir gern mit Herstellern und Baumärkten zusammenarbeiten, die über toolbot neue Zielgruppen erschließen können.

Wie unterstützen euch ERGO und Munich Re?

Jan Gerlach: Das Mentoring und die Workshops der Initiative sowie der Austausch mit den anderen Teams sind sehr wertvoll für uns. Mit ERGO und Munich Re arbeiten wir an ganz praktischen Fragen: Wie versichert man eine Station voller hochpreisiger Werkzeuge? Welche Risiken gibt es und wie minimieren wir sie? Es ist toll, bei diesen Fragen so kompetente und engagierte Ansprechpartner zu haben.

Eine Luftaufnahme der Green Garage mit Solarpaneelen auf dem Dach, wo der Pitchday des Climate-KIC-Accelerators im Juni 2017 stattfand.
Diese Start-ups sind schon auf Erfolgskurs

Ihre kreativen Lösungen sind so unterschiedlich wie die Start-ups selbst. Doch eines eint alle: Sie werden oder wurden beim Side Call von Climate-KIC und Munich Re und ERGO gefördert.