GIZ Vietnam

Schutz von gefährdeten Gemeinschaften und Ökosystemen im vietnamesischen Mekongdelta

Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH haben Munich Re und ERGO 2019 eine Initiative zur ökosystembasierten Anpassung an den Klimawandel in Vietnam angestoßen, die Teil des übergreifenden Ansatzes „Tackling Climate Change Together“ (TCCT) ist. Ziel des Projekts ist die Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern im Mekongdelta in Vietnam. Zudem werden bessere Existenzsicherungsmöglichkeiten und alternative Einkommensquellen für exponierte und gefährdete Gemeinschaften geschaffen, die auf die natürlichen Ressourcen der Waldgebiete und deren Umgebung angewiesen sind.

Bild: Fischer bereitet seine Netze zum Fang vor. Copyright © GIZ

Ökosystem der Mangrovenwälder zunehmend unter Druck

Rund 50 Prozent der weltweiten Mangrovenwälder wurden in den vergangenen Jahrzehnten durch Abholzung und Raubbau unwiederbringlich zerstört. Nicht nachhaltige Anbaumethoden, die Ausweitung der ressourcenintensiven Aquakultur sowie der verstärkte Infrastrukturausbau in Vietnam und flussaufwärts gelegenen Ländern belasten die natürlichen Ressourcen entlang der Küsten stark. Zusammen mit Bodensenkungen und dem ansteigenden Meeresspiegel übt dies zunehmenden Druck auf die empfindlichen Mangroven-Ökosysteme aus.

GIZ VietnamBild: Wellenbrecherzäune werden aus Bambus-Stangen errichtet. © GIZ

Der Verlust von Waldflächen an der Küste ist besonders heikel. Dieser grüne Gürtel wirkte dort einst stabilisierend und verringerte unter anderem das Risiko von Überschwemmungen. Die Erosion ganzer Wattflächen hinterlässt tiefe Auswaschungen und steile Böschungen, die eine natürliche Wiederansiedlung von Mangroven ohne weitere Unterstützungsmaßnahmen unmöglich macht. Durch den fehlenden Mangrovengürtel verursachte Deichbrüche und Überschwemmungen bedrohen die dicht besiedelten Gebiete dahinter.

Der Mangrovengürtel schrumpft sowohl von Wasser- als auch von Landseite. In der Wissenschaft ist dieses Phänomen auch als „Coastal Squeeze“ bekannt. Auf der Landseite wollen die Bauern die wertvollen Waldflächen für die Landwirtschaft und für Garnelenteiche beanspruchen. Zusätzliche Belastungen entstehen durch Bewässerungskanäle, die das Wasser in zwei Richtungen fließen lassen: vom Mekong in die Reisfelder und das Meer, und vom Meer in die Garnelen- und Fischteiche an Land. Dort, wo die Kanäle ins Meer münden, kommt es häufig zu Erosion. Dieser Verlust von Landflächen an das Meer ist die größte vom Meer ausgehende Bedrohung für die Mangroven und eine massive Herausforderung für die Küstenbevölkerung: In einigen Gebieten beträgt die Erosion bis zu 50 Meter pro Jahr. Dementsprechend werden die Häuser, die heute 500 Meter vom Meer entfernt sind, in zehn Jahren direkt an der Küste liegen, wenn nicht eingegriffen wird.

Bei der Wiederaufforstung setzen wir auf naturbasierte Lösungen durch das Errichten von Wellenbrecherzäunen aus Bambus, die den Anbau von Schlickboden für eine Neubepflanzung mit Mangrovensetzlingen unterstützen. Durch diesen Beitrag zur Wiederherstellung des Ökosystems versuchen wir auch, die Lebensgrundlage vieler Menschen zu sichern.

Pandemie beeinträchtigt Projektarbeiten

In den letzten Monaten hatte die Corona-Pandemie Vietnam fest im Griff. Strenge Lockdowns beeinträchtigten die Projektarbeiten in den Partnerprovinzen im Mekongdelta. Zu Projektbeginn und bereits vor den weitreichenden Auswirkungen der Pandemie auf Gesellschaft und Volkswirtschaften weltweit, wurden bereits wichtige Schritte unternommen, um das Engagement der Partner und die Einbeziehung der Bevölkerung vor Ort sicherzustellen.

Der sogenannte Co-Management-Prozess, bei dem lokale Gemeinschaften gemeinsam mit den örtlichen Behörden für die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen verantwortlich sind, musste sorgfältig geplant und koordiniert werden. Dieser Abstimmungsprozess zwischen den Beteiligten wird das Projekt über dessen komplette Laufzeit begleiten und hat grundlegende Auswirkungen auf das Governance-System insgesamt.

Für einen von zwei geplanten Bepflanzungsstandorten konnten zudem die Vor-Ort-Begutachtungen und die Überwachung des Mangrovenwaldes abgeschlossen werden. Die örtlichen Behörden und die Projektmitarbeiter einigten sich auf die Entwicklung eines Wellenbrecherzauns. Als Baustoff dient lokal gewonnener Bambus, sodass der Zaun als optimale, naturbasierte Lösung dazu beiträgt, die örtlichen Auswirkungen der Erosion zu reduzieren und die Schlammablagerung für das Setzen von Mangrovenpflanzen zu fördern.

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Herr Tran Tri Dung und Frau Lam Thi Tre betreiben Landwirtschaft im Gebiet der geplanten Aufforstungsaktivitäten in der Provinz Soc Trang. Sie erklären:

„In dieser Saison haben wir auf einer Fläche von etwa 1.000 m2 Bittermelonen angepflanzt. Von den insgesamt produzierten rund drei Tonnen konnten wir bisher nur 500 kg verkaufen, weil ein Transport wegen des Lockdowns nicht möglich war. Die restlichen Früchte haben wir an Nachbarn und Passanten abgegeben. Vor Ort zu verkaufen ist keine Alternative, weil die Menschen hier momentan ebenfalls nicht arbeiten oder ihre eigenen Produkte verkaufen können. Deshalb haben sie kein Geld, um bei uns zu kaufen. Also behelfen wir uns mit Tauschhandel. Unsere Tiere, eine Ziege und eine Kuh, füttern wir mit Gurken und anderem Gemüse.“

Die Pandemie hat nicht nur weltweit die Durchführung von Projekten erheblich erschwert, sondern auch die extreme Verwundbarkeit der betroffenen Gemeinschaften wie hier in Vietnam deutlich gemacht. Man bemüht sich nach Kräften, die rasche Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus einzudämmen. Dies ist besonders schwierig in einem Land, in dem das Gesundheitssystem sich noch im Aufbau befindet und die Ressourcen knapp sind. Vietnam hatte seine Außengrenzen schon sehr früh geschlossen und ließ beim Umgang mit Covid-19 weiterhin große Vorsicht walten, unter anderem mit strengen Ausgangssperren und Lockdowns. Wegen unterbrochener oder gestörter Handelsmöglichkeiten haben Fischer und Landwirte Schwierigkeiten, ihre Erzeugnisse zu verkaufen und können sie nur lokal absetzen, während Verbraucher deutliche Preissteigerungen verkraften müssen.

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Arbeiter pflanzen Mangrovensetzlinge an der Mekong-Küste. © GIZ

Ende September 2021 ergab sich schließlich doch eine günstige Gelegenheit für das Mangrovenprojekt. Nachdem die strengen Covid-Maßnahmen erste Wirkung zeigten, lockerte die vietnamesische Regierung die Bewegungseinschränkungen für das Mekongdelta, und die Wiederaufforstungsarbeiten konnten am ersten Projektstandort beginnen. Für den sehr arbeitsintensiven Bau der T-Fences, wie die Wellenbrecherzäune aus natürlichem Material auch genannt werden, konnten örtliche Landwirte und Fischer angeworben werden. Zunächst müssen die drei Meter langen Bambusrohre durch den teilweise mannshohen Wellenbrecher gezogen werden. Anschließend stellen zwei Arbeiter sie auf und rammen sie in den Schlickboden. Im nächsten Schritt begannen die Arbeiter vor Ort damit, Mangrovensetzlinge zu pflanzen. Vor der Anpflanzung wurden Seile von einer Seite zur anderen gespannt, um eine gleichmäßige Verteilung der Setzlinge auf der 17,5 Hektar großen Fläche zu gewährleisten. Ende November war die Pflanzung von fast 100.000 Mangrovensetzlingen und 18.000 Mangrovenjungpflanzen in Soc Trang abgeschlossen.

Nächster Schritt: Ausweitung auf zweiten Pflanzort

Nächstes Jahr wird das Projektteam seine Bemühungen auf einen zweiten Standort im Mekongdelta ausweiten, um den 2021 bereits erzielten Nutzen in Bezug auf die aufgeforstete Fläche und die lokalen Haushalte zu verdoppeln.

GIZ VietnamBild: Arbeiter errichten einen Wellenbrecher-Zaun. © GIZ

Vor der endgültigen Auswahl der zweiten Provinz wird eine Bewertung der Verhältnisse vor Ort durchgeführt, um die optimalen Bedingungen für eine erfolgreiche Wiederaufforstung zu gewährleisten, mit der das Projekt Mensch und Natur bei der Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels unterstützen will. Dabei werden der Co-Management-Ansatz und das Modell der Förderung wirtschaftlicher Lebensgrundlagen auf bestehenden lokalen Strukturen sowie dem Engagement und Wissen der lokalen Bevölkerung über die Mangroven aufbauen. In Erwartung der nachlassenden Wirkung der Pandemie werden bereits Co-Management-Aktivitäten mit den lokalen Akteuren in Soc Trang geplant.

Die Pandemie hat den Bedarf an naturbasierten Lösungen und Initiativen wie diese noch stärker deutlich gemacht. Sie hat neben der akuten Gefährdung der betroffenen Gemeinschaften auch aufgezeigt, wie viel Unterstützung die Wiederaufforstung der Mangroven erfordert, damit der Mensch – als Individuum wie auch als Kollektiv – und die Umwelt gleichermaßen gedeihen können. So hat die Pandemie die Durchführung des Projekts zwar erschwert, aber auch verdeutlicht, welche Fortschritte durch den Bau der T-Fences und ihren potenziellen Nutzen möglich sind.