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„40 Prozent der Deutschen haben keine Ziele"


Magazin, 13.04.2018

Vorzeitiger Ruhestand, starker Staat, Gesundheitsampel. Der ERGO Risiko-Report zeigt, dass es um die Risiko-Kompetenz und Eigenverantwortung der Deutschen nicht gut bestellt ist. Gerd Gigerenzer, Max-Planck-Professor und wissenschaftlicher Pate des Reports, spricht hier über die Ergebnisse.

Professor Gerd Gigerenzer          Foto: © David Ausserhofer

Herr Gigerenzer, der ERGO Risiko-Report zeigt, wie die Deutschen mit dem Thema Risiko umgehen – etwa bei Gesundheit, Sicherheit und Geld. Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse der Studie?

Gigerenzer: Es fällt auf, dass die Deutschen mit ihren Hoffnungen und Zielen immer noch sehr stark auf den Staat bauen – und weitaus weniger auf ihr eigenes Handeln. Ein Beispiel: Kaum jemand möchte sich noch selbständig machen. Stattdessen sehnen sich die meisten Befragten nach einem vorzeitigen Ruhestand – auch in der Hoffnung auf eine auskömmliche, staatlich finanzierte Rente. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist die allgemeine Ziel- und Visionslosigkeit: 40 Prozent der Deutschen haben keine Ziele

…wie sehr hat Sie das überrascht? Oder sind Sie durch nichts mehr zu überraschen?

Gigerenzer: Auch nach jahrzehntelanger Risiko-Forschung lasse ich mich immer wieder gern verblüffen. Das macht meine Arbeit so spannend. Aber es ist schon auffällig, dass so viele Deutsche gar keine Ziele haben – das gilt nicht nur für die Alten sondern bereits für die Jungen. Die Ziele verschwinden schon ziemlich früh: Es beginnt bei den 30- bis 40-Jährigen. 

Was lernen wir aus dem Risiko-Report über die Wünsche der Deutschen an den von ihnen  favorisierten starken Staat?

Gigerenzer: Da kommen drei ganz klare Ansagen an die Politik. Erstens: 93 Prozent der Befragten wollen auf keinen Fall, dass das Bargeld abgeschafft wird – ein klares „Nein“ zu derartigen politischen Gedankenspielen. Zweitens: 68 Prozent verlangen eine „Gesundheitsampel“ – also die Kennzeichnung verpackter Lebensmittel nach ihrem Zucker-, Salz- und Fettgehalt. Drittens: Nur zehn Prozent wollen im Alter in ein Pflegeheim – jede Regierung sollte also berücksichtigen, dass die meisten Deutschen ihre letzten Jahre viel lieber zu Hause mit der Familie oder in Wohngemeinschaften mit Freunden verbringen wollen. Man könnte sagen: Hier spricht das Volk!

Die Studie zeigt auch, dass die Deutschen nur über eine unzureichende Risiko-Kompetenz verfügen. So etwa bei den Gefahren des Rauchens oder den Anforderungen an ihre Altersvorsorge. Warum ist es so schwierig, Risiken zu erkennen, sie richtig einzuschätzen und dann eigenverantwortlich zu handeln?

Gigerenzer: Ganz einfach, weil es die meisten Menschen nie gelernt haben. Niemand bringt uns in der Schule Risiko-Kompetenz bei. Wir erwerben dort keine Kenntnisse, um Statistiken richtig zu lesen, Desinformationen zu enttarnen oder aus den eigenen – oft überzogenen – Ängsten zu lernen.  Zur realistischen Einschätzung von Risiken gehört auch die Fähigkeit, im Internet verlässliche Quellen zu finden. Und dann eigenverantwortlich die richtige Entscheidung zu treffen.

Was können wir hier tun – jeder Einzelne, ERGO als großes Versicherungsunternehmen und Sie als Risiko-Experte?

Gigerenzer: Wir im Harding-Zentrum für Risiko-Kompetenz arbeiten in vielen kleinen und größeren Projekten daran, die Diskrepanz zwischen Risikoeinschätzung und Realität zu schließen. Wir bieten verständliche Informationen, verlässliche Statistiken und korrigieren statistische Fehler anderer. Hierzu veröffentlichen wir unsere „Unstatistik des Monats“. So behauptete z.B. eine Studie, dass jeder vierte Mensch durch Umweltverschmutzung stirbt. Das ist gleich doppelter Unsinn: Die Angabe „jeder vierte“ sollte sich natürlich nur auf die Anzahl aller Gestorbenen beziehen und nicht auf die gesamte Menschheit; außerdem zählt diese Statistik zu den Leidtragenden der Umweltverschmutzung auch die Opfer von Verkehrsunfällen, Gewaltverbrechen und Unglücken im Haushalt. Jeder, der unsere Rubrik „Unstatistik“ liest, hat wieder etwas fürs Leben gelernt: Wie werden meine Ängste gesteuert, von wem und wer hat etwas davon? Fazit: Es lohnt sich für jeden, seine Risiko-Kompetenz zu erhöhen.

Was könnte ERGO dazu beitragen?

Gigerenzer: ERGO hat jetzt die Aufgabe, die Ergebnisse dieses Risiko-Reports zu den Menschen zu bringen. Durch die Medien, durch eigene Publikationen und durch ihre Vermittler. Außerdem – und zusätzlich zu dieser Studie – könnte ERGO dazu beitragen, dass mehr verlässliche Informationen im Internet zu finden sind. Wie wäre es z.B., wenn ERGO dort Statistiken aus dem Bereich „Gesundheit“ publiziert – mit vielen spannenden Inhalten aus zuverlässigen Quellen?

Diese Idee tragen wir gern weiter! Apropos: Wie geht’s jetzt weiter mit dem Risiko-Report?

Gigerenzer: Diese Studie soll, so ist´s geplant, alle zwei Jahre erscheinen. Denn der Risiko-Report zeigt, dass es in Deutschland mit dem Wissen um Risiken nicht so steht, wie man es im 21.Jahrhundert erwarten würde. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir sehr viel in neue Technologien aber nur wenig in die Kompetenz der Menschen investieren. Diese Diskrepanz-Schere gilt es zu schließen. Nur so können wir den Menschen helfen, vernünftig mit den Herausforderungen von Digitalisierung & Co. umzugehen.

Weitere Informationen

Interview: Uli Dönch

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